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Archiv-Artikel

Boykott wirkungslos

Drei Tage lang verkauften Reisebüros keine Tickets der Lufthansa. Protest gegen Streichung der Provision

FRANKFURT/M. taz ■ Bis gestern weigerten sich vor allem kleinere Reisebüros quer durch die Republik drei Tage lang, ihren Kunden die Flugtickets der Lufthansa zu verkaufen. Denn die deutsche Airline will ab September keine Provisionen mehr für den Verkauf ihrer Luftfahrscheine an die Reisebüros überweisen und so mehr als 100 Millionen Euro jährlich einsparen. Ihre Aufwandsentschädigung sollen sich die Reiseveranstalter zukünftig durch eigene Aufschläge auf den Ticketpreis von der Kundschaft holen.

Die Geschäftsführerin eines Frankfurter Reisebüros, das sich auf den Verkauf von Flügen nach Kuba spezialisiert hat, nannte das „schlicht eine Frechheit“. Schon die Provision von rund fünf Prozent sei doch „kaum kostendeckend“ gewesen. Den neuen Vertrag mit dem Provisionsverzicht sollten die etwa 4.600 deutschen Reisebüros mit einer Lufthansa-Lizenz bis zum 14. Februar unterzeichnen. Die großen Reiseveranstalter und Agenturen haben das auch getan, nur die kleineren blieben resistent.

Der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalterverband (DRV) hatte vor dem Stichtag Fragebögen an die Reisebüros versandt, die Tickets der im Verband der Internationalen Luftverkehrsgesellschaften (IATA) zusammengeschlossenen großen Airlines verkaufen. 97,1 Prozent der Befragten sprachen sich für die Aussetzung der Frist für die Vertragsunterzeichnung aus, 94,3 Prozent der IATA-Agenturen für die Beibehaltung der Provisionszahlungen im bisherigen Umfang. Allerdings hatten sich nur knapp 20 Prozent der angeschriebenen Reisebüros an der Aktion beteiligt.

Die Airline zeigt sich derweil unbeeindruckt. Ein Grund: Die großen Reisebüros und Agenturen, die rund 80 Prozent des Umsatzes beim Ticketverkauf „außer Haus“ erwirtschaften, haben die neuen Verträge unterschrieben. Den kleinen Reisebüros mit Lizenz zum Verkauf der Luftfahrscheine der Lufthansa, die sich an dem gestern zu Ende gegangenen Verkaufsboykott beteiligten, droht die Airline jetzt mit Lizenzentzug. Und die Inhaber der Reisebüros bekommen umgehend weiche Knie. So richtig boykottiert habe man eigentlich nicht, hieß es in zwei Reisebüros in Frankfurt. Man sei zwar grundsätzlich dazu bereit gewesen, „aber es kam doch überhaupt kein Kunde, der Tickets von Lufthansa haben wollte“, hieß es in einem Reisebüro in Sachsenhausen. Und in einem Reisebüro in der Frankfurter Nordweststadt lautete die Auskunft: „Wenn ein Kunde unbedingt Lufthansa buchen wollte, haben wir ihn auf den Donnerstag nach dem Boykott verwiesen.“

In den Reisebüros geht jetzt auch die Angst um, dass andere Airlines nachziehen und wie Lufthansa zukünftig keine Provisionen für den Ticketverkauf mehr ausschütten könnten. „Eine berechtigte Angst“, wie der Reise- und Luftfahrtexperte Martin Jürs vom Branchenblatt FVW sagte. Bei Alitalia, Iberia und auch einigen überseeischen Airlines würden entsprechende Pläne längst in den Schubladen liegen. Der Boykott war wohl ein Schuss in den Ofen.

KLAUS PETER KLINGELSCHMITT