NDR entsperrt sich selbst

Endlich ein fairer Arbeitgeber: Der NDR schafft die zeitliche Begrenzung für die Beschäftigung freier Mitarbeiter ab

Und es gibt sie doch, die Fälle, in denen sich ein langer Widerstand auszahlt. Zwei Jahre haben hunderte freie Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks (NDR) gegen die Personalpolitik ihres Senders protestiert. Der hatte über viele seiner Freien spätestens nach 15, oft sogar schon nach 8 Jahren systematisch ein Arbeitsverbot verhängt, damit sich bloß niemand auf eine feste Stelle einklagen konnte. Zum Protest blieben Mitte Februar sogar gut 400 Freie einen ganzen Tag lang den Funkhäusern fern.

Diese Warnung hat der in dieser Sache jahrelang an Starrsinn leidende Sender nun erkannt – und eingelenkt: Zum Wochenende kündigte Intendant Lutz Marmor im Intranet seines Senders einen „ersatzlosen Verzicht auf eine zeitliche Obergrenze“ für die Beschäftigung der Freien an. Für die Betroffenen – etwa einhundert waren es zuletzt pro Jahr – ist dieses Ergebnis ein in der deutschen Mediengeschichte beispielloser Erfolg. Und so sagte ein Vertreter der Initiative „Freie im Norden“ gestern der taz: „Das ist ein faires Modell.“

Fair war die Personalpolitik des NDR bisher ganz und gar nicht: Um auf Nummer sicher zu gehen, hatten die Hamburger sogar zuliefernden Produktionsgesellschaften untersagt, von ihnen „Gesperrte“ zu beschäftigen.

Das Sperrzeitenmodell hatte einst Marmors Vorgänger Jobst Plog eingeführt. Dass dessen Dienstanweisung jetzt deutlich entschärft wird, ist für die Freien-Initiative ein „echter Kurswandel“. Sie freuen sich: „Die Philosophie in unserem Haus hat sich endlich geändert.“

Das alles bedeutet aber natürlich nicht, dass jetzt jeder freie Mitarbeiter des NDR auf Lebenszeit für den Sender arbeiten darf. Marmor macht in seinem Schreiben an die Mitarbeiter deutlich, künftig dürfe ohne zeitliche Grenzen für den Sender arbeiten, wer „aus Sicht der Programmverantwortlichen unverzichtbar ist und sehr gute Arbeit macht“. Und wer diese „besten Köpfe“ seien, erweise sich im Alltag. „Auch künftig wird es einen Wettbewerb unter den Freien geben“, schreibt der Intendant.

Mit anderen Worten: Der Druck auf den Einzelnen steigt. Die Freien müssen ihre Ellenbogen ausfahren.

Geht es nach Marmor, wird sein Sender bald sogar eine Jobbörse einrichten, um „die Beschäftigungsmöglichkeiten im NDR und in der ARD zu erweitern und zu verbessern“. Das hört sich nach Luxusbedingungen an.

Und das tut nun wirklich not, denn der gebührenfinanzierte Sender deckt mit Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ein riesiges Gebiet ab. Bisher blieb den Gesperrten nur, in den Süden zu flüchten und sich einem anderen Sender an den Hals zu werfen. Für alteingesessene Norddeutsche gewiss düstere Aussichten. DANIEL BOUHS