: Hure und Heilige
Die Gruppe Primavera del Tango erfüllt den Tränenpalast mit argentinischer Musik aus dem Diesseits und dem Jenseits
Sünde, Qual, Tod und Wiedergeburt – die Geschichte, die in der Kammeroper „María de Buenos Aires“ erzählt wird, mutet extrem biblisch an. Eine junge Frau namens (aufgemerkt!) María, am Río de la Plata geboren, gelangt in den Sündenpfuhl Buenos Aires, wird dort vom Tango in das zwielichtige Milieu der Bars und Bordelle gezogen und stirbt. Nach ihrem Tod geistert sie zunächst als Schatten durch die düsteren Gassen der Metropole, um schließlich glanzvoll wiedergeboren zu werden. Das Leben Marías, Mutter und Geliebte, Heilige und Hure zugleich, stellt eine Allegorie des Tangos dar. Sowohl in den Figuren als auch in der Sprache vermischt sich Reales mit Surrealem: Selbst Argentinier haben Probleme, die Kunstsprache der „Operita“ zu verstehen, die dem Lunfardo, einem Slang aus den Slums von Buenos Aires, ähnelt. 1968 von dem Tango-Nuevo-Komponisten Astor Piazzolla und dem Lyriker Horacio Ferrer geschrieben, ist „María de Buenos Aires“ bis heute die einzige bekannte Tango-Oper. Sie wird jetzt von der Gruppe Primavera del Tango erstmalig in Berlin aufgeführt, und da kann man dann einen Abend lang in tiefe Leidenschaft, Sehnsucht, Schmerz und Melancholie eintauchen und lauschen. TIG