Bremen auf dem Treppchen

Ein „Drückeberger“-Ranking sieht die Arbeitslosen der Hansestadt unter den arbeitsscheusten der Republik. Arbeitsamt und Experten distanzieren sich von dem Ergebnis und verweisen auf die Zunahme der Jobvermittlungen

taz ■ Unter Bremens Arbeitslosen verbergen sich überdurchschnittlich viele Faulenzer. Zu diesem wenig schmeichelhaften Schluss kommt das Wirtschaftsmagazin impulse. In einem so genannten „Drückeberger“-Ranking, das die Illustrierte in ihrer jüngsten Ausgabe veröffentlicht, liegt Bremen auf Rang drei: Danach hatten im Jahr 2002 4,9 Prozent der hiesigen Arbeitslosen zumutbare Arbeit abgelehnt – im Jahr 2000 waren es 4,2 Prozent. Das Arbeitsamt verhängte gegen die „arbeitsunwilligen Hilfeempfänger“ Sperrzeiten für Arbeitslosengeld oder -hilfe.

Bundesweit hätten die Arbeitsämter im vergangenen Jahr 100.883 „Faulenzern“ unter den Arbeitslosen Leistungen gekürzt, weil sie Jobs oder Bildungsangebote abgelehnt hatten, behauptet impulse, deren Quelle die offizielle Statistik der Bundesanstalt für Arbeit war. Nur in Hamburg (5,91) und – dem gemeinhin als Musterländle gefeierten – Baden-Württemberg (5,05) sei die Quote der „Job-Verweigerer“ noch höher als in Bremen. Der Bundesdurchschnitt betrage dagegen lediglich 2,8 Prozent.

„Begrifflichkeiten wie ‚Drückeberger‘ oder ‚Faulenzer‘ gehören – auch intern – nicht zum Sprachgebrauch der Bundesanstalt für Arbeit“: Jörg Nowag vom Bremer Arbeitsamt distanzierte sich gestern klar von der impulse-Rangliste. Gewiss gebe es „Konsequenzen unseres Verwaltungshandelns“, aber ein „derartiges Ranking“ stelle man auf Seiten des Arbeitsamts nicht auf. Nowag nennt gleichwohl zwei potenzielle Ursachen, die zu der vorderen Platzierung Bremens geführt haben könnten. Zum Einen habe Bremen „als Großstadt eine problematischere Bevölkerungsstruktur“: Ungelernte und Menschen „mit schwierigen Persönlichkeitsstrukturen“ zögen die Großstadt häufig dem Leben auf dem Land vor. Zum Zweiten seien offene Stellen in der jüngsten Vergangenheit durch die „Vermittlungsoffensive“ des Arbeitsamts schneller besetzt worden als zuvor, man sei „ständig auf der Suche nach geeigneten Bewerbern“. Da sei es normal, dass der ein oder andere ein Angebot ablehne und lieber die Rechtsfolgen in Kauf nehme. Das charakterisiere ihn aber noch lange nicht „in der Persönlichkeitsstruktur als Faulenzer“, so Nowag.

Mit einer „wissenschaftlichen Analyse“ der Zahlen kann die Berliner Redaktion von impulse nicht dienen. Doch Redakteur Christian Plöger, der den für das Ranking zuständigen Kollegen gestern vertrat, gab als Interpretationshilfe zwei Möglichkeiten mit auf den Weg. Man könne auf der einen Seite vermuten, dass in den Stadtstaaten Hamburg oder Bremen die Zahl der „Faulenzer“ einfach höher sei. Man könne aber auch zu dem Schluss kommen, dass sich die Arbeitsämter dort rigider um die „Drückeberger“ kümmerten – und schneller Leistungen streichen würden.

Einem ausgewiesenen Experten wie Paul Schröder vom „Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe“ stößt das Ranking sauer auf. „Die betreffenden Personen haben eben ein bestimmtes Angebot nicht angenommen, da muss man immer den Einzelfall bewerten“, sagt Schröder. Mit Begriffen wie „Faulenzer“ könne er nichts angefangen, das sei reine „Stimmungsmache“. Nach Berechnungen seines Instituts gibt es im Land Bremen im Jahr etwa 2.000 Fälle von Leistungskürzungen bei Arbeitslosengeld und -hilfe – bei immerhin knapp 50.000 arbeitslosen Leistungsbeziehern.

Für Thomas Beninde von der Bremer „Arbeitsgemeinschaft arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger“ (agab) lenkt das Ranking „von dem eigentlichen Problem ab, nämlich dass es nicht genug Arbeit gibt“. Die Rede von „Jobverweigerern“ suggeriere, dass es Jobs gebe. Doch häufig würden Arbeitslose gezwungen, „wenig qualifizierte und schlecht bezahlte Jobs“ anzunehmen, die gleichwohl als „zumutbar“ ausgegeben würden. Gerade Personen, die frisch in die Arbeitslosigkeit geraten seien, gingen bisweilen von der irrigen Annahme aus, sie genössen „Berufsschutz“ – und hätten also Anspruch darauf, in ihrem bisherigen Beruf bleiben zu dürfen. Markus Jox