: Womöglich ein wenig Hoffnung
Die kuschligen Mühlsteine des Kapitalismus: Kettcar stellen im Knaack unaufdringlich die richtigen Fragen
Wenn es einen Song geben muss zurzeit, wenn es sie geben muss, die viereinhalb Minuten, die das Jetzt auf den Punkt bringen, dann ist es vielleicht, dann soll es, dann muss es wohl dieses eine Lied sein: „Money Left To Burn“ von dem Debütalbum von Kettcar „Du und wie viele von deinen Freunden“. Eine fast schon teilnahmslose Stimme berichtet vom Menschen im Geldkreislauf, wie er verformt wird zwischen den hierzulande doch immer noch recht kuschligen Mühlsteinen des Kapitalismus, erzählt in wenigen Worten, wie die Verweigerungsversuche dieser Generation gescheitert sind, dass jeder, aber auch wirklich jeder im Angesicht der Krise feststellen muss, dass die Subversion nur ein Luxusartikel ist: „Als ob wir anders wären“. Und Geld allein, muss man nun wohl selbst hinzufügen, macht auch nicht glücklich.
Die Wahrheit auf den Tisch: Kettcar sind hervorgegangen aus der halbbekannten Punkband „… But Alive“ und der halbbekannten Skaband „Rantanplan“, sind zu fünft und kommen aus Hamburg. Und wirklich: So, wie die Gitarren bräsig nach Pop suchen, wie die Melodien ganz unaufdringlich „Ich will Pop sein“ flüstern, wie die Texte das eigene Dasein ergründen, steht man offensichtlich in einer altbekannten Tradition. Nur: Hamburger Schule ist zwar ein Begriff, den man hier nicht leiden kann, der aber von den Protagonisten trotzdem nicht als Schimpfwort, sondern eher als Adelung empfunden werden dürfte.
Tatsächlich aber gehen Kettcar einen entscheidenden Schritt weiter. Der Ausgangspunkt bleibt zwar derselbe: Zweimal kommt auf „Du und wie viele von deinen Freunden“ das Wort „befindlichkeitsfixiert“ vor und mit liebevollem Blick werden ebenjene privaten Befindlichkeiten, die eigene Vergangenheit, das eigene Umfeld beschrieben. Aber Kettcar gehen den Weg, den auch Tocotronic oder Die Sterne auf ihren letzten Platten begonnen hatten zu gehen, konsequent weiter: So allein und selbstzufrieden ist schlecht Existieren. Es geht eben nicht nur um mich und manchmal noch dich, sondern auch um unseren Platz in einer Welt, der wir zunehmend egal sind und die uns zu lange egal war.
„Wir haben alles und nichts zu sagen“, singt Marcus Wiebusch, „wir können das alles diskutieren/ Aber doch bitte ohne zu reden.“ Denn natürlich haben auch Kettcar keine Antworten. Aber zumindest, und das ist doch schon sehr viel, stellen sie die richtigen Fragen: „Ist man jetzt, wo man nicht mehr high ist, froh, dass es vorbei ist?“ Ja, vielleicht, aber eher erleichtert. Bleibt nur: Was kommt nun? Womöglich ja ein wenig Hoffnung: Solange es Bands gibt wie Kettcar, kann die Welt nicht so schlecht sein, wie es scheint. Denn schließlich, das wissen wir jetzt, Geld macht nicht glücklich.
THOMAS WINKLER
Am 25. 4., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Str. 224, Prenzlauer Berg