Widerstand gegen Schüssels Rentenreform

In Österreich verprellt Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mit dem geplanten Renten-Kahlschlag selbst gute Freunde

WIEN taz ■ Eigentlich wollte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel morgen den ersten ÖVP-Parteitag nach dem Wahlsieg vom vergangenen November als Jubelveranstaltung inszenieren. Doch jetzt muss er damit rechnen, von einem Teil der Delegierten ausgebuht zu werden. Schuld daran sind seine Rentenreformpläne, die nächste Woche vom Ministerrat beschlossen werden sollen. Der Widerstand dagegen beschränkt sich nicht auf die Opposition. Von den ÖVP-Landeshauptleuten über den Arbeiter- und Angestelltenbund der Partei bis zu christdemokratischen Gewerkschaftern drohen die eigenen Leute mit dem Aufstand.

Die vorgesehenen Einschnitte gleichen, so sehen es Kritiker, einem Raubzug an den Renten künftiger Senioren. Herr und Frau Österreicher werden, geht es nach Schüssel, länger arbeiten müssen und dafür weniger Pension bekommen – viele dramatisch weniger. Wurde bisher das Gehalt der letzten 15 Jahre zur Berechnung herangezogen, soll dies schrittweise auf die gesamte Erwerbszeit ausgedehnt werden. Und bei Beiträgen aus den frühen Jahren soll die tatsächliche Geldentwertung nur zur Hälfte ausgeglichen werden. Besonders betroffen sind Frauen, die nach der Kinderpause Teilzeit arbeiten oder schlechter bezahlte Jobs annehmen müssen. Sie werden laut Arbeiterkammer bis zu 49 Prozent weniger bekommen.

Die Gegner erzürnt besonders die Sturheit, mit der Schüssel und seine Leute die Reform, für die sie den Euphemismus „Pensionssicherungsreform“ erfunden haben, durchpeitschen wollen. Die Begutachtungsfrist war äußerst kurz angesetzt, über Änderungen will man bei Details reden, obwohl die demografisch bedingte Krise des Umlagesystems gar keine so harten Schnitte erfordern würde. Schüssel will sich, so mutmaßen Kommentatoren, Geld für die Steuerentlastung holen, die ihm 2006 die Wiederwahl sichern soll.

Die Gewerkschaften drohen mit Streik. Die SPÖ machten gestern einen Gegenvorschlag, der vor allem Frauen besser stellen würde. In der Klemme ist FPÖ-Vizekanzler Herbert Haupt. Er hatte inhaltlich wenig mitzureden, trägt aber als Sozialminister die Verantwortung. Er reagierte denn auch prompt auf Einflüsterungen Jörg Haiders, der die Reform einer Volksabstimmung unterwerfen will. Die Grünen reklamierten, Politiker könnten dem Volk schwerlich solche Opfer abverlangen, wenn sie nicht ihr eigenes privilegiertes Pensionssystem reformierten. So beziehen zwei ÖVP-Abgeordnete neben ihren Diäten fette Ministerpensionen. RALF LEONHARD