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Archiv-Artikel

Wunschliste der Halblinken

Die „Parlamentarische Linke“ in der SPD hat ein Papier erarbeitet, das Kanzler Schröder und seine härtesten Parteikritiker versöhnen soll. Vermögen- und Erbschaftsteuer sollen weiterentwickelt werden, die Zinsabgeltungsteuer nicht kommen

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

Nach wochenlangen Beratungen hat sich die „Parlamentarische Linke“ (PL) der SPD geeinigt. Seit gestern zirkuliert ein Papier, das eigene Vorschläge für die Sozialreformen unterbreitet. Es repräsentiert die Meinung von mindestens 60 Fraktionsmitgliedern und soll einen „Kompromiss“ darstellen zwischen der „Agenda 2010“ von Kanzler Schröder und der radikalen Kritik einiger Bundestagsabgeordneter.

Beim Krankengeld geht die PL auf Konfrontationskurs zu Schröder. Es müsse „im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben und paritätisch finanziert werden“. Der Kanzler hatte gefordert, dass die Arbeitnehmer eine Zusatzversicherung abschließen – die Arbeitgeber wären um 0,4 Prozentpunkte entlastet worden.

Die geplante Zinsabgeltungsteuer wird ebenfalls kritisiert: „nicht zielführend“. Sie würde Steuerausfälle von 3 Milliarden Euro jährlich produzieren. Finanzminister Hans Eichel hatte vorgeschlagen, Zinsen künftig nicht mehr mit dem Einkommensteuertarif von aktuell maximal 48,5 Prozent zu belegen, sondern pauschal mit 25 Prozent abzugelten. Seine Hoffnung: mehr Steuerehrlichkeit.

Schließlich fordert die PL die „Weiterentwicklung“ der Vermögen- und Erbschaftsteuer. Diese Idee ist bei den SPD-Granden ebenfalls unbeliebt, doch wären Konsequenzen nicht zu befürchten: Auch die PL weiß, dass „dieses Projekt derzeit keine Mehrheit im Bundesrat hat“.

Beim Kündigungsschutz hingegen geht man auf den Kanzler zu: Die PL akzeptiert den Vorschlag von Wirtschaftsminister Clement, den Kündigungsschutz in kleineren Betrieben ab fünf Beschäftigten beizubehalten – aber befristet Beschäftigte nicht zu zählen. Man besteht jedoch auf einer Evaluation: „Es erscheint uns sinnvoll, diese Regelung erst einmal auf fünf Jahre zu befristen und jährlich auf ihre Beschäftigungswirkung zu überprüfen.“

Beim Arbeitslosengeld ist die PL bedingt bereit, die geplante Kürzung der Bezugsdauer hinzunehmen. Arbeitslose, die älter als 55 Jahre sind, sollen künftig nur noch maximal 18 Monate lang Arbeitslosengeld erhalten und nicht mehr 32 Monate. Allerdings dürfe diese kürzere Bezugsdauer nur gelten, wenn ihnen ein zumutbarer Arbeitsplatz angeboten wird.

Die massiven Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe nimmt die PL weitgehend hin. Sie fordert aber, dass die Ersparnisse fürs Alter geschont werden und dass die zusammengelegte Arbeitslosen- und Sozialhilfe „armutsfest“ sei.

Wie Kanzler Schröder auf den „Kompromiss“ reagierte, ist unbekannt. PL-Mitglied und Fraktionsvize Gernot Erler konnte gestern nur melden, dass es keinen Gesprächstermin gibt. Von den linken Kritikern wiederum ist zu hören, dass sie ihr Mitgliederbegehren fortführen. 1.000 Unterschriften seien gesammelt. Etwa 70.000 müssen in den nächsten drei Monaten zusammenkommen, damit dann alle 670.000 SPD-Mitglieder über die Sozialreformen abstimmen können.

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