Im Angesicht des Bösen

Sie sitzen wieder an einem Tisch: USA verhandeln mit Schurkenstaat Nordkorea und China über Nordkoreas Atomprogramm

aus Peking GEORG BLUME

Wer hätte das gedacht: Statt nach dem Sieg im Irak gleich die nächste Front im Kampf gegen die „Achse des Bösen“ zu eröffnen, ist die amerikanische Regierung gestern in Peking an den Verhandlungstisch zurückgekehrt. Nordkoreaner und Chinesen, die neuen Verhandlungspartner der USA, nahmen den Weg durch die Hintertüren. Die amerikanische Delegation unter Führung des stellvertretenden Außenministers James Kelly aber hat sich vollste Verschwiegenheit verordnet. Keine dramatischen Bilder also, keine Weltgeschichte made by TV.

So viel Geheimnistuerei ist wohl das Mindeste, wenn man mit den Abgesandten des „Bösen“ an einem Tisch sitzt. Das war ja im Prinzip nie so vorgesehen. Denn spätestens seit US-Präsident George W. Bush in seiner berühmten Rede an die Nation im Januar vergangenen Jahres neben Irak und Iran auch Nordkorea auf die „Achse des Bösen“ setzte, war klar: Nach Saddam Hussein ist der nordkoreanische Diktator Kim Jong Il der größte Feind des amerikanischen Präsidenten.

Kim, den die Nordkoreaner als „lieben Führer“ titulieren, wurde von Bush im Gespräch mit dem amerikanischen Journalisten Bob Woodward sogar persönlich als einer, „der sein Volk verhungern lässt“, angegriffen. Wie konnte es dazu kommen, dass Bushs Leute mit Kims Genossen an einem Tisch sitzen?

Seit Monaten schon dröhnt aus Pjöngjang Kriegsgeheul. Alle Koreaner sollten sich „zu einer Einheit verschmelzen, um entschieden die amerikanische Kriegsaggression zu zerschlagen und das Schicksal der Nation zu schützen“, trompetete das Parteiblatt Rodong Sinmun noch diese Woche. Die Staatsmedien spiegeln ihrem Publikum seit Jahresbeginn vor, dass ein Krieg mit den USA unmittelbar vor der Tür stehe. Vom Verlauf des Irakkrieges ist den Nordkoreanern dagegen kaum berichtet worden. Stattdessen konzentriert sich alle Propaganda darauf, den „Lebe-oder-stirb-Geist“ der Nation zu beschwören.

Mag sein, dass die vorgespielte oder reale Kriegsbereitschaft des Kim-Regimes in Washington Eindruck hinterlassen hat. Jedenfalls ist dort ein richtiger Streit über Nordkorea ausgebrochen. Die einen, wie US-Außenminister Colin Powell, wollen mit Kim zu einer Einigung über ein Ende seines umstrittenen Atomprogramms kommen. Die anderen, wie ein paar Experten aus dem Umkreis von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, die am Wochenende ein regierungsinternes Memorandum vorlegten, wollen sich mit den Chinesen abstimmen, um Kim mit diplomatischen Mitteln aus dem Amt zu entfernen, bevorzugen also eine Politik des regime change wie im Irak. Doch noch sind offenbar die Powell-Leute am Drücker.

„Nordkorea darf nicht länger ignoriert werden“, hörte man gestern aus Kreisen der sich ebenfalls in Peking aufhaltenden China-Delegation von Bill Frist, dem republikanischen Mehrheitsführer im US-Senat. Frist glaubt offenbar nicht an eine Verhärtung der Fronten. Beide Seiten hätten ihre Positionen bereits revidiert, um überhaupt an den Verhandlungstisch zu kommen. Allerdings erwarte Washington jede Menge „unvernünftiger Forderungen“ Pjöngjangs. Selbst das aber klingt versöhnlich: Wären die Nordkoreaner am Ende nicht mehr böse, sondern nur noch unvernünftig?