: Das Recht des Siegers
Die USA drängen im Weltsicherheitsrat auf Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak. Die UN-Waffeninspektoren sollen nicht mehr ins Land
von BERND PICKERT
Im Weltsicherheitsrat geht der Streit um die Zukunft des Irak weiter. Vor allem um zwei Themen kreiste am Dienstag die Sitzung des Gremiums hinter verschlossenen Türen: die Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak und die Zukunft der UN-Waffeninspektoren. Da es das Regime Saddam Husseins nicht mehr gebe, so die Argumentation aus Washington, seien auch die gegen ebendieses Regime 1990 nach der Besetzung Kuwaits verhängten Strafmaßnahmen hinfällig. Während sich noch bis Anfang der Woche mit Frankreich und Russland gleich zwei Vetomächte des Sicherheitsrates gegen die Aufhebung der Sanktionen aussprachen, hat die französische Regierung inzwischen einen Schwenk vollführt: Man befürworte die vorübergehende Aussetzung der Sanktionen, bestehe aber weiter darauf, dass vor der endgültigen Aufhebung zunächst die UN-Waffeninspektoren bestätigen müssten, dass der Irak tatsächlich nicht mehr über Massenvernichtungswaffen verfüge.
Dazu aber müssten die UN-Inspektoren erst einmal wieder ins Land. Zwar versicherte Chefinspektor Hans Blix am Dienstag dem Sicherheitsrat, seine Inspektionsteams könnten binnen zwei Wochen ihre Arbeit im Irak wieder aufnehmen, wenn der Sicherheitsrat das beschließen würde. Doch die US-Regierung blieb bei ihrer Position. Inzwischen, erklärte der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Negroponte, hätten die USA und Großbritannien die Verantwortung für die Abrüstung des Irak übernommen.
Die Experten im Auftrag Washingtons haben bereits rund 50 Inspektionen vorgenommen, ohne allerdings bislang irgendwelche verbotenen Waffen oder Herstellungsstätten dafür zu finden. Rund 1.000 Inspektoren will die US-Regierung einsetzen. Sie kommen von der CIA, der Armee, anderen US-Behörden und einige auch von den bisherigen UN-Inspektorenteams. Chefinspektor Blix sprach den Teams insofern auch sein Vertrauen aus: „Die Inspektoren, die sie einsetzen, sind professionelle Leute. Sie werden so objektiv Informationen suchen wie möglich.“ Der Unterschied sei, dass UN-Inspektoren unabhängig von den Instruktionen einzelner Regierungen arbeiteten und deshalb glaubwürdiger seien.
Die US-Regierung hat recht unmissverständlich signalisiert, mit Hans Blix nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen. Blix, der sich vor Beginn der Sitzung noch einmal darüber beschwerte, die USA hätten mit ihrem Kriegskurs seine Arbeit unterminiert, tut wenig dafür, sein Ansehen in Washington zu verbessern. Wenn es jedoch dabei bleibt, dass er sein Amt nur noch bis zum 30. Juni ausübt, dann könnte eine neue Person an der Spitze auch den Weg für eine neue Kooperation frei machen. Vorerst sagte Blix nach der Sitzung, „aus Sicherheitsgründen“ könnten die Inspektoren zunächst nicht wieder in den Irak reisen.
Frankreich hat jetzt vorgeschlagen, die UN-Inspektoren könnten gegebenenfalls auch an der Seite der US-geführten Experten arbeiten, um dann dem Sicherheitsrat Bericht zu erstatten, damit dieser über die endgültige Aufhebung der Sanktionen entscheiden könnte.
In ihrer Forderung, den UN-Inspektoren, der UNO insgesamt und dem Sicherheitsrat im Besonderen bei der zukünftigen Gestaltung des Irak eine starke Rolle zuzuweisen, ist sich das Kriegsgegner-Trio von Frankreich, Deutschland und Russland im Prinzip einig. Unter dem „Öl für Lebensmittel“-Programm, das der irakischen Regierung den Einkauf humanitärer Güter bei frei gewählten Handelspartnern gestattete, war Russland der größte Exporteur Richtung Irak, während die USA nicht vorkamen. Jetzt fürchten Frankreich und Russland, bei einer sofortigen Aufhebung der Sanktionen ihrerseits gegenüber den bereits positionierten US-amerikanischen Firmen leer auszugehen.
Während jedoch Frankreich trotz der neuen Drohungen aus dem Mund des US-Außenministers darauf setzt, durch einen konzilianteren Ton und konstruktive Vorschläge das Verhältnis zu den USA zu entkrampfen, bleibt die russische Regierung dabei, die Aufhebung der Sanktionen vorläufig abzulehnen. Und die deutsche Bundesregierung hält sich im Hintergrund.