: Manager werfen Maut-Anker
Toll Collect will nun doch nachbessern, es gehe „um das beste System der Welt“. Unternehmen schieben sich gegenseitig Schuld an Pannen zu. Siemens soll retten
BERLIN taz ■ Toll Collect versucht es noch einmal. Das Konsortium wird dem Bund in den nächsten Tagen ein neues Angebot vorlegen, um so den Maut-Vertrag zu retten. „Ich habe den Eindruck, die Meinungsunterschiede sind überbrückbar“, sagte DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp gestern, als er in Stuttgart die Bilanz 2003 des Autobauers präsentierte. Binnen zehn Tagen könne eine Lösung auf dem Tisch liegen.
Damit äußerte sich zwei Tage nach dem Zerwürfnis mit der Bundesregierung zum ersten Mal ein Manager der hinter Toll Collect stehenden Großkonzerne. Auch ein Telekom-Sprecher bestätigte: „Wir stehen zu dem Projekt und arbeiten daran.“ Die Industrie bewegt sich gegenüber Verkehrsminister Manfred Stolpe mindestens in drei Punkten. Toll Collect will erstens, so berichtete gestern die Welt, die Haftungssumme auf eine Milliarde Euro aufstocken. Im nächtlichen Verhandlungsmarathon am Dienstag hatte das Konsortium lediglich angeboten, die Summe über mehrere Jahre von 300 Millionen Euro auf 800 Millionen zu steigern. Zweitens soll die Vertragsstrafe auf 100 Millionen Euro klettern. Drittens sagt die Industrie zu, bis 2005 die geforderten 500.000 Onboard-Units an die Spediteure zu liefern.
Die Maut-Technik von Toll Collect sei „das beste System, das es derzeit in der Welt“ gebe, schwärmte Daimler-Chef Schrempp. Dabei beschert Toll Collect, das mittlerweile mit 1,1 Milliarden Euro verschuldet ist, seinem Konzern bisher ausschließlich Verluste.
Die Schuld an den Pannen schob ein Daimler-Sprecher gestern aber einfach anderen zu – und nannte SAP, Oracle, IBM, Grundig und Siemens. Alle hatten einzelne Komponenten für die Software des High-Tech-Gebührensystems geliefert, die später nicht so recht zusammenpassen sollten. Inzwischen seien die Probleme aber gelöst, beteuert Schrempp nun. Ganz glauben mag man das nicht. Zumal gestern bekannt wurde, dass Siemens um Hilfe gebeten wurde, um die Maut zu retten. Womöglich sollen die Münchener dafür ins Konsortium einsteigen, kommentieren wollten sie das gestern allerdings noch nicht.
Das Bundesverkehrsministerium zeigte sich gestern skeptisch. Den Ankündigungen der Betreiber seien meist keine Angebote mit wesentlichen Verbesserungen gefolgt, sagte Stolpe-Sprecher Felix Stenschke. Sollte die Kündigung in zwei Monaten wirksam werden, will die Regierung 7 Milliarden Euro von Toll Collect an Schadenersatz und Vertragsstrafen zurückfordern – 500 Millionen mehr als zunächst angegeben. Die Mautbetreiber sehen für diese Forderungen keinerlei Grundlage.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) forderte gestern wie schon die FDP einen Untersuchungsausschuss. Wie die Maut-Ausfälle dieses Jahr überbrückt und Verkehrsinvestitionen finanziert werden sollen, ist nach wie vor unklar. HG