: Depression mit Witz
Geld oder Glaube: „Better Days“ im Hamburger Thalia
Wenn alles furchtbar und hoffnungslos ist, was bleibt? Geld oder Religion. Auf diese Formel bringt Richard Dresser seine Better Days, die jetzt im Hamburger Thalia Premiere feierten.
Regisseur Niklaus Helbling ist hier seit seinem Gastspiel Krazy Cat für einen Hang zu liebenswerter anarchischer Entgleisung bekannt. Auch in der Parodie Better Days greift er auf seine bewährten Stilmittel zurück. Das Bühnenpersonal vegetiert als Kleinbürger in einem US-Ostküstenkaff vor sich hin. Die arbeitslosen Freunde Ray und Arnie hängen in Schlafsäcken im Sessel, doch gegen die Kälte, die ihr Vorortholzhaus durchzieht, hilft das verfeuerte Mobiliar kaum.
Dirk Thiele hat das Kleinbürgeridyll perfekt durchgestylt. Felix Huber sorgt mit einer elektronischen Tonspur für Endzeitstimmung, aber das Bier ist gut gekühlt. Und die Gottesfurcht wärmt. Denn Ray hört Stimmen, die Auswege aus der Misere verkünden. Peter Jordan gibt ihn mit abgebrühtem Humor. Freund Arnie (Benjamin Utzerath), eine traurige Gestalt mit nervöser Frau, hofft auf ihn. Genauso wie der entlassene Anwalt Phil, der jetzt Ofensprays vertickt. Andreas Pietschmann lässt ihn nicht eine Sekunde stillstehen. Mit seiner schnüffelsüchtigen Geliebten Crystal (Judith Rosmair) haust Phil mittlerweile im Auto. Einzig Rays Frau Faye (emotionslos: Anna Steffens) hält die Fäden der überdrehten Truppe zusammen.
Alle Darsteller zeigen sich in bester Spiellaune, und doch ist alles einen Tick zu pompös und laut. Helbling zitiert sämtliche Kleinbürgerklischees, ohne sie immer gleich zu brechen. Und schrammt mitunter dicht am Trash vorbei. Eines Tages beschwört Ray die mysteriöse Stimme, als plötzlich statt eines göttlichen Wesens seine Frau mit dem kalten Zyniker Bill (Stephan Schad als geschniegelter Globalisierungsvertreter) im Raum steht. Der bringt ganz andere heilsversprechende Ideen: Versicherungsbetrug durch Autoabfackeln bis hin zum Abbrennen ganzer Städte. „Ich bin dein Ticket weg von hier“, sagt er zu Faye. Dass sich alle so sehr an diesen Unheilsbringer klammern, birgt eher bittere denn komische Momente. Nach dem Verfall der Ökonomie muss am Ende doch wieder Ray-Jesus herhalten, damit alle befreit in den Pet Shop Boys Hit Suburbia einstimmen können.
Aber immerhin eine Figur hat sich bewegt: Crystal mutiert vom süchtigen Anhängsel zur selbstbestimmten Frau. Trotz aller Übertreibung: Die Hoffnungslosigkeit braucht diesen Witz – um erträglich zu bleiben.
Caroline Mansfeld
weitere Vorstellungen: 25.2., 20 Uhr, 29.2., 19 Uhr, Thalia in der Hamburger Gaußstraße