: „Viele mögen die Sozialhilfe“
Mal was anderes im Musical: Der Personalrat im Amt für Soziale Dienste lud zur Diskussion über Hartz und die Folgen. Senatorin Röpke (SPD) konnte in wesentlichen Punkten nur vertrösten. Beamte: Nicht mehr Arbeit für weniger Weihnachtsgeld
Bremen taz ■ Am Abend vorher fielen die Scheinwerfer des Musical-Theaters noch auf die Chansonniere Georgette Dee. Am Freitagmorgen dann ging es auf der Bühne am Richtweg nicht mehr ganz so schillernd zu: Der Personalrat des Amtes für Soziale Dienste hatte zur Personalversammlung geladen, um seinen Bericht aus den Jahren 2000 bis 2004 vorzustellen, vor allem aber: um mit den Mitarbeiterinnen aus den zwölf Sozialzentren über die anstehende Großreform namens Hartz IV zu sprechen.
Am Ende hatten die Sozial-Beamten und -Beamtinnen immerhin diese Sicherheit: Hartz naht mit Sieben-Meilen-Stiefeln, aber was sich dadurch genau ändert, ist noch nicht absehbar. „Stellen Sie sich auf ein Jahr ein, in dem es noch viele Unsicherheiten gibt“, schenkte Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) den rund 800 Anwesenden reinen Wein ein.
Unsicherheit rührt in erster Linie daher, dass Bremen sich – wie viele andere Bundesländer – noch nicht entschieden hat, ob es die neuen Instrumente der Arbeitsmarktpolitik lieber unter kommunale Fittiche nimmt oder der Bundesagentur für Arbeit die Führung überlässt. Der Gesetzgeber lässt beides zu. Aber, so Senatorin Röpke in ihrer Antwort auf die Fragen des Personalrates, die beiden Modelle seien finanzpolitisch noch nicht durchgerechnet. Wenn die Kommune zusätzliche Leistungen erbringt bei der Arbeitsvermittlung, wieviel bezahlt ihr der Bund dafür?
Bis März will die Behörde in einer internen Arbeitsgruppe klären, wieviele der jetzigen Sozialhilfebezieher überhaupt für Arbeitsvermittlung in Frage kommen: dann könne man mit dem Bund klären, welche die für Bremen sinnvollere Variante ist.
Die Personalversammlung jedenfalls stimmte gestern eindeutig für das kommunale Modell. Aus politischen Gründen einerseits – Personalrat Burckhard Radtke geht davon aus, dass mehr bedürftige Menschen durch den Rost fallen, wenn man sich bei der Zusammenführung von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Agentur für Arbeit unterordnet –, zum anderen glauben die Interessenvertreter, dass im Falle einer kommunalen Führung die jetzige Struktur der Sozialzentren aufrechterhalten werden kann. Und das wäre wohl ganz im Sinne der ArbeitnehmerInnen.
„Es kann doch jetzt nicht wieder von vorn losgehen“ klagten viele Mitarbeiterinnen in der Pause, die die Umwandlung der Sozialämter in Sozialzentren hinter sich haben und nun mit der Reform der Reform rechnen.
Ob die politischen Bedenken gegen Hartz, die der Personalrat trägt, bei den Mitarbeitern auch wurzelten, war auf der Versammlung allerdings nicht zu spüren. Den meisten Applaus bekam ein Redner, der es sich verbat, trotz Weihnachtsgeldkürzung in Zukunft noch mehr Fälle zu bearbeiten. Die Personalversammlung forderte deshalb von der Senatorin bei der aktuellen Fallzahl von durchschnittlich 127 Menschen pro SachbearbeiterIn nicht abzuweichen.
Kritik seitens des Personalrates gab es auch an der so genannte Fallpauschale, die ab 1. Januar die aus vielen verschiedenen Leistungen bestehende Sozialhilfe ersetzen wird. „Viele unserer KollegInnen mögen die Sozialhilfe“, wusste er, „weil man durch die individuelle Betreuung auch eine zufriedenstellende Arbeit erfährt.“ Röpke indes erinnerte sich an Gespräche, nach denen die MitarbeiterInnen der Sozialzentren sich durch die Fallpauschalen, bei denen nicht mehr jede einzelne Leistung begutachtet wird, entlastet fühlten. Dem wollte Radtke so nicht folgen: „Die Konsequenz wird doch sein, dass Sie die Fälle pro Mitarbeiter gnadenlos erhöhen.“
Elke Heyduck