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Archiv-Artikel

Lehrern geht’s bestens

betr.: „B wie Burnout“, taz hamburg vom 24. 4. 03

Mir kommen die Tränen bei dem Bericht. Ich bin selbst ausgebildeter Sportlehrer. Wenn ich den Lehrerberuf ergreife, dann weiß ich als erwachsener Mensch mit knapp 30 Jahren nach Schulzeit, Studium, Praktika und Referendarzeit beim Eintritt ins Lehrerzimmer doch sehr wohl, was mich erwartet. Als Sportlehrer muss ich in der „lauten“ Turnhalle unterrichten (oder beim Skikurs in den Alpen auf dem Berg; oder beim Tennisunterricht auf dem Platz; oder beim Schwimmen im Freibad – alles ganz furchtbar) und als Deutsch-, Englisch- oder Mathelehrer muss ich Arbeiten korrigieren. Das ist mir aber doch vorher genauso klar wie dem Postboten, der sich beschwert, weil er im Regen Briefe austragen muss. Jetzt kommt in Hamburg ein Senator daher und lässt untersuchen, wie viel Stunden die Lehrer an den unterschiedlichen Schultypen tatsächlich mit Vorbereitung, Klassenarbeitskorrekturen, Klassenlehrerorga, Abiturvorschlägen et cetera tatsächlich abzuleisten haben. Denn es dürfte jedem normal Sterblichen klar sein, dass ein Leistungskurs 13. Klasse in Deutsch oder Geschichte mit allem Drum und Dran mehr Zeit verschlingt, als wenn ich als Kunstlehrer in der 5. Klasse ein Bild malen lasse oder heute mal eine Spielstunde mit Brennball, Völkerball und von Wand zu Wand zur Einführung des Kernwurfs durchführe.

Jetzt kommt auf den Prüfstand, was die Pädagogen hinter verschlossenen Klassenzimmertüren tatsächlich leisten. Einmal die Lehrbefähigung in der Tasche, wird niemand jemals im Unterricht kontrolliert. In welchem Betrieb gibt es derart tolle Arbeitsbedingungen? Jeder kann im Einklang mit dem Rahmenplan seinen Unterricht frei gestalten. Es gibt viele Lehrer, die sich auf diese Bestandsaufnahme freuen. In sehr vielen Gesprächen im Kollegenkreis in Niedersachsen habe ich erfahren, mit welch großen Erwartungen sie nach Hamburg und auf Senator Lange schauen, weil sich dort endlich mal jemand traut, heiße Eisen anzupacken. Anstatt froh über die Initiative für mehr Gerechtigkeit (schreiben Gewerkschaften wie Verdi oder GEW doch sonst gern auf ihre Fahnen) bei der Arbeit zu sein, holt der Lehrerverband lieber gleich die Keule in juristischer Form und ein Gutachten raus, das leider, um in der Lehrerthematik zu bleiben, „am Thema vorbei“ argumentiert. Es mag den Burnout-Fall geben. Den gibt es aber auch in anderen Branchen. Da droht die Entlassung, wenn die Leistung fehlt. Bei den Lehrern „droht“ die Frühpensionierung, die wir alle bezahlen. Es ist wirklich zum Heulen, wie hier Stimmung gemacht wird.

Reformen sind in unserer Gesellschaft offensichtlich so lange in Ordnung und gewünscht, wie sie jemand anderen betreffen. Ein eigener Beitrag – Fehlanzeige. Das Schlimme ist nur, dieser Personenkreis weiß gar nicht, wie gut es ihm im Gegensatz zum überwiegenden Teil der Bevölkerung geht. Wer so reflexartig reagiert wie der Deutsche Lehrerverband, der setzt sich dem Verdacht aus, dass Senator Lange offensichtlich in ein Wespennest gestochen hat. Und das ist doch gut so.

RAINER THUMANN, Buxtehude

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