: „Die Idee ist großartig“
Der Chemnitzer Finanzwirtschaftler Friedrich Thießen unterstützt die Auffanginitiative von Banken und KfW. Er warnt aber auch vor Risiken bei „unsachgemäßer Handhabung“
taz: Fünf große Banken und die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wollen Kredite über 50 Milliarden Euro verbrieft auf den Kapitalmarkt werfen. Die Bankeninitiative verspricht sich davon eine Entlastung der Bilanzen. Was halten Sie davon?
Friedrich Thießen: Die Idee ist grundsätzlich großartig. Ich vergleiche sie mit der Gründung der Deutschen Terminbörse, die sich zur größten Terminbörse der Welt entwickelt hat. Jetzt befinden sich die deutschen Finanzmärkte wieder in einer Art Krise und es wird wieder eine Institution aufgebaut, die das Zeug zu einer Institution von europäischem Rang hat. Aber natürlich gibt es auch Gefahren. Wenn die Banken untereinander nicht zu Kompromissen bereit sind, wird das Projekt scheitern.
Sind solche Kreditderivate nicht eine Gefahr für die internationalen Finanzmärkte?
Prinzipiell eignen sie sich zur Lösung vieler Probleme. Aber was passiert, wenn sie auf einmal in großem Stil gehandelt und in die Portefeuilles der Anleger gelegt werden? Man kann mit diesen Derivaten hohe Renditen erzielen. Bei unsachgemäßer Handhabung gibt es aber auch sehr große Risiken.
Angeblich sollen nur „gute“ Kredite an die neue Auffanggesellschaft weitergeleitet werden. Ist das kontrollierbar?
Grundsätzlich sind alle Probleme, alle Tricks und Fallstricke bekannt. Ich glaube, die Ratingagenturen werden hier gute Arbeit leisten und sich nichts vormachen lassen. Ich denke eher, dass sie übervorsichtig sind.
Welchen Nutzen haben beispielsweise die Deutsche Bank und ihr Eigenkapital?
Das ist ja das Verrückte: Im Grunde gar keinen. Wenn die Märkte effizient funktionieren, kann aus der Verbriefung kein Vorteil herauskommen. Ein Kredit X wird von der Bank mit Eigenkapital und Fremdkapital finanziert. Nun wird der Kredit verbrieft und am Kapitalmarkt verkauft. Die Marktteilnehmer, die der Bank Eigen- und Fremdkapital gegeben haben, kaufen nun die verbrieften Kredite. Und auf einmal sollen sie mit weniger Ertrag zufrieden sein? Das ist unlogisch. Wenn die Rechnung der Banken aufgeht, wenn ein am Kapitalmarkt gehandelter Kreditbestand mehr wert sein soll als ein Kreditbestand in einer Bank, spricht daraus das fundamentale Misstrauen, das die Märkte den Banken entgegenbringen.
Die Initiatoren sagen, sie wollen mit dem frei gewordenen Eigenkapital dem Mittelstand helfen …
Die Betonung der Mittelstandshilfe scheint mir auch in Richtung Marketing zu gehen.
EU-Wettbewerbskommissar Monti sendet Zeichen des Misstrauens. Er sorgt sich wegen der Rolle der staatlichen KfW. Ist die Bankinitiative eine versteckte staatliche Auffanghilfe für die privaten Banken?
Die Einbeziehung der KfW ist schon interessant. Alle fragen sich: Wird subventioniert? Man kann nichts Definitives sagen, ohne die Details der Konstruktion zu kennen. Allerdings ist es nicht einfach, bei solchen Transaktionen versteckt Subventionen unterzubringen, da die Strukturen relativ übersichtlich sind. Worauf man achten müsste? Ob die KfW Garantien ausspricht, ob sie Eigenkapitalanteile der Gesellschaft hält oder ob sie riskante Schuldtitel selbst erwirbt.
INTERVIEW: HERMANNUS PFEIFFER
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