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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Alle wollen die Mehrwertsteuer erhöhen, aber niemand außer Heide Simonis gibt es zu. Und beim politischen Aschermittwoch wird sich mal wieder zeigen, warum Gauweiler in der CSU isoliert ist

Von SR

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Beim Dosenpfand sabotiert die Industrie; beim Transrapid verschläft, beim Maut versagt sie. Hinterher findet die Bild-Zeitung raus, dass das an der Regierung liegt. Ist doch auch nicht leicht, wenn man Schröders Verschwörungstheorien nichts entgegensetzen kann.

Was wird besser in dieser?

In vielen Innenstädten, vor allem Köln, Mainz, Münster, wollen hunderte Lkw-Fahrer heute eine Art Naturalien-Maut vorstellen.

Heide Simonis hat eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorgeschlagen und ist – erwartungsgemäß – von allen zusammengefaltet worden. Warum? Mehr Steuerfinanzierung der Sozialsysteme klappt in den skandinavischen Ländern doch ganz gut. Oder?

Von der Idee der deutschen Sozialsysteme ausgehend – der Parität – heißt das: Die Konsumenten sollen für die Arbeitgeber einspringen. In allen vier Säulen der Sozialversicherung kann von 50/50 eh keine Rede mehr sein. Sei es unbezahlte Mehrarbeit bei der Pflege, Zuzahlungen bei der Krankenkasse, Riester-Rente oder Leistungsdemontage bei Arbeitslosigkeit. Der skandinavische Sozialstaat hat von vornherein auf die viel bejammerten horrenden Steuern gesetzt, also trügt dieser Vergleich. Dies vorausgeschickt, kann man die Verbrauchersteuer als kleineres Übel betrachten, wenn der Gegenvorschlag die abschließende Auswilderung des Arbeitnehmers ist.

Wie kann man unter den Bedingungen einer medialen Massendemokratie eine unbeliebte, aber sinnvolle Idee wie etwa eine Erhöhung der Mehrwertsteuer durchsetzen?

Klar, die Wahlen dieses Jahr – da lauern alle, ob einer so wagemutig ist wie Simonis, den schwarzen Peter zu nehmen. Da die Erträge der Mehrwertsteuer zwischen Bund und Länder aufgeteilt werden, möchten die meisten Ministerpräsidenten hinterher gern dabei sein, aber vorher nichts gesagt haben. Niedersachsen Ministerpräsident Schröder etwa fiel seinerzeit gern mal seiner eigenen Partei ins Kreuz, um im Bundesrat mit Kohl für eine höhere Mehrwertsteuer zu stimmen. Im Ergebnis lauern alle darauf, ob man es 2005 als „europäische Angleichung“ verkaufen kann.

Der unvermeidliche politische Aschermittwoch steht mal wieder vor der Tür. Stoiber in Passau, Schröder in Düsseldorf. Was werden sie sagen?

Der politische Aschermittwoch war das Heimspiel des legendären Sit-down-Comedians Franz Josef Strauß. Schröder dagegen überzeugt rhetorisch eher im kleineren Kreis, Stoiber kann sehr überzeugend schweigen. Das Beispiel des ursprünglich FDP-eigenen Drei-Königs-Treffens zeigt aber, dass niemand mehr dem anderen einen Nachrichtentag kampflos überlässt. Bei der SPD kann das Stiegler sehr gut, und Gauweilers neidgetränkte Isolierung in der CSU verdankt er seinem weit überlegenen Unterhaltungstalent.

Am Donnerstag fliegt Schröder nach Washington. Es ist der erste Besuch seit dem Irakkrieg-Dissens, und wir werden Bush und Schröder gewiss routiniert lächelnd vor der Kamera sehen. Ein Bild, das es den sorgenzerfurchten Leitartiklern von 2003 zufolge gar nicht geben dürfte, weil Schröder doch eine irreparable transatlantische Krise auf seinem Kerbholz hat? Oder war das eher eine Krise der Leitartikler?

Wir können uns getrost mit dem vorgezogenen Fazit abfinden, dass unter der Regierungszeit Schröders der erste, tastende Versuch einer eigenständigen deutschen Außenpolitik gelang. Tollpatschig vielleicht am Anfang, im Kosovo; mit einer Flucht-nach-vorn-Strategie nach dem 11. 9. Schröder zockt, Fischer grübelt, und zusammen fahren sie folgende Ernte ein: Bush glaubt immer noch, das wäre ein feiner kleiner Krieg gewesen – da greift ihn Kerry auch nicht an. Aber die „Exit-Strategie“ – deren Fehlen Fischer von vornherein bemängelte –, die fehlt täglich schmerzhafter. Problem der Leitartikler in Deutschland war, dass sie den Spielraum der Europäer auf traditionell null unterschätzt haben.

Die SPD liegt in Hamburg laut jüngster Umfrage bei trostlosen 29 Prozent – so wenig wie noch nie seit 1946 und das trotz des Schill-Desasters. Wo, wenn nicht in Hamburg, will die SPD gewinnen? Und, wenn es so bleibt, wird das als Schröders Niederlage verbucht werden?

Ja, Hamburg und Europawahl vielleicht noch, dann mindestens Kabinettsumbau („Aktion Tollpatsch-Collect“). Aber: Die hohen Umfragewerte der Union im Bund gelten drei möglichen Kandidaten. Wenn die sich endlich für einen entscheiden, relativiert sich auch dies.

Und was macht Borussia Dortmund?

Verklagt Kicker und Süddeutsche wegen neuer Anwürfe gegen ihr Finanzgebaren. Nur wenige Anwaltskanzleien in Deutschland halten sich eigene Erstligamannschaften. FRAGEN: SR