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Archiv-Artikel

Geiselnehmer und „Gotteskrieger“

Unblutig endete gestern nach fast sieben Stunden die Entführung eines Linienbusses aus Bremen. Der erst 17-jährige eingebürgerte Täter hatte seinen Eltern einen Brief hinterlassen und wollte im Nahen Osten „als Gotteskrieger kämpfen“

Von hey

taz ■ Erleichterung um 16 Uhr 20. Die Nachrichtenagenturen melden das unblutige Ende einer Geiselnahme, die gestern Morgen in Bremen ihren Anfang nahm. Alle 16 Geiseln, die den Bus in der Nähe von Hildesheim nach und nach verlassen konnten, blieben unverletzt. Recht mysteriös sind indes die Motive des erst 17-Jährigen Entführers.

Freitag Morgen, 9 Uhr: In Flughafennähe beobachtet ein Autofahrer auf der Neuenlander Straße einen Bus, in dem ein junger Mann mit einer Waffe hantierte. Geistesgegenwärtig alarmiert er die Polizei. Auch dem 35-jährigen Busfahrer, der von Kirchweyhe zum Bremer Hauptbahnhof unterwegs war, gelingt es, über Funk Kollegen zu informieren.

Während es nach Polizeiangaben einem der Insassen des Busses der Linie 120 glückt, den Bus noch in Bremen zu verlassen, befinden sich die anderen 15 Personen in der Gewalt des Geiselnehmers. Nach sieben Stunden und langen Verhandlungen mit der Polizei überwältigt dann ein Sondereinsatzkommando den Entführer bei Hildesheim. Schüsse seien dabei nicht gefallen.

Der Täter ist nach Auskunft hannoverscher Behörden libanesischer Herkunft. Er hinterließ, so berichtete der Bremer Innensenator auf einer Pressekonferenz gestern Abend, seinen Eltern einen Brief. Darin schreibt er, so Böse, „in gebrochenem Deutsch“, er wolle mit seinem Leben „etwas besseres anfangen“. Er sei kein Terrorist, aber ein „Gotteskrieger“. Den Polizisten, die auf der Autobahn in der Nähe von Hildesheim mit ihm verhandelten, überreichte er ein weiteres Schreiben, in dem er die Freilassung der Al Kaida-Leute aus Münchner Gefängnissen verlangte. Dieser Brief sei „in flüssigem Deutsch und mit einer anderen Handschrift abgefasst“, so Böse. Er habe außerdem gedroht, „Hannover in Schutt und Asche zu legen“. Dafür taugliches Material habe sich aber nicht bei ihm gefunden. Die Waffe, mit der er seine Geiseln bedrohte, war eine großkalibrige Gaspistole.

Böse, der von einem islamistischen Hintergrund der Tat sprach, sagte, es gebe über den vor einem Jahr eingebürgerten jungen Mann bislang keine Erkenntnisse beim Verfassungsschutz. Auch vorbestraft sei der Mann nicht. Gleichwohl sprach der Innensenator von „Integrationsproblemen in unserer Stadt“. Es müsse daher intensiv nach den genauen Motiven und Hintergründen der Tat geforscht werden. Der Verfassungschutz müsse verstärkt ausgestattet werden. Nach ersten Erkenntnissen hatte der Täter Kontakt zur Bremer Abu Bakr-Moschee.

Die Entführung endete nach einer Irrfahrt über norddeutsche Autobahnen. Der Täter zwang den Fahrer erst, auf die A 27 zu fahren, dann auf die A7 Richtung Hannover. Kurz vor Hildesheim stoppte ihn ein von der Polizei fingierter Unfall. Nach ersten telefonischen Kontakten mit dem Entführer wurde jetzt an der offenen Bustür verhandelt. Ein Sprecher der Bremer Polizei bestätigte, dass der Gangster nach Bürgermeister Henning Scherf (SPD) als Vermittler gefragt habe. Am Nachmittag war dies aber offenbar kein Thema mehr. Rathaus-Sprecher Hermann Pape sagte, Scherf habe sich zur Verfügung gehalten. Als die Geiselnahme glimpflich endete, seien alle im Bremer Rathaus „richtig glücklich“ gewesen.

Der Täter hatte im Lauf des Nachmittags immer wieder Geiseln frei gelassen. Ein Mann, der über Kreislaufprobleme klagte, verließ den Bus zuerst, wenig später stiegen drei weitere Personen aus. Eine halbe Stunde vor Ende der Geiselnahme ließ der Entführer zwei weitere Menschen frei. Als die Polizisten einen Moment des sichtlich Ermüdeten nutzten, um den Bus zu stürmen, befanden sich noch sechs Menschen in seiner Gewalt. Alle verließen den Bus unverletzt und wurden anschließend von Medizinern und Psychologen betreut.

Schon ab halb zwei Uhr mittags leitete der Polizeidirektor der Bezirksregierung Hannover, Johannes-Jürgen Kaul, den Einsatz, bis dahin war Bremen zuständig. Die Zuständigkeit wechselt, so erklärte der Sprecher der Bremer Polizei, Bernd Koslowski, wenn der Bus nicht mehr in Bewegung sei, sondern „stationär“. Insgesamt wertete der Chef der Bremer Polizei, Eckard Mordhorst, den Einsatz als „kompetent“.

hey