: Eine kleine PreiskundeGrimme-Preis
Heute wird der Bambi verliehen, der „wichtigste Medienpreis“ der Republik. Ein schöner Anlass, sich all die anderen wichtigsten Preise mal genauer anzuschauen. Was verraten Form, Material und Ästhetik über den Inhalt der Auszeichnung? Was erzählen niedliche Rehe, fette Hennen, demolierte Hochhäuser, angedeutete Mobiles, lachende Plastikgurken, durchsichtige Obelisken und verhüllte Glatzköpfe über unsere Gesellschaft? Und was hat Veronica Ferres damit zu tun?
Gemessen an seinem Gewicht ist der Grimme-Preis ein eher unscheinbares Stück zeitgenössischer Gebrauchskunst, so hintersinnig wird hier mit smart ineinander verschachtelten Bildschirmformen „gespielt“. Dieses eigenwillige Ensemble aus Aluminium sieht aus, als würde es sich bei Wind bewegen, ruht aber ganz traditionell auf einem vorbildlich marmorierten Marmorwürfel. Marmorstein und Eisen, sozusagen. Es ist eben ein Preis, den vor allem Kritiker an Kritisches oder über jede Kritik Erhabenes vergeben, wie beispielsweise Veronica Ferres. Es ist also der „thinking man’s“ Medienpreis schlechthin und damit, anders als andere Preise, eine echte Auszeichnung. Deshalb geht ihm auch alles platt Figürliche ab, auch sucht man nach den üblichen phallischen Formen vergebens. Trotzdem kann man sich diese winzige Skulptur, wäre sie von entsprechender Größe, auch als Kunst im öffentlichen Raum vorstellen, beispielsweise an einer Kreuzung in Tiflis oder in einem Park in Herne. Und vielleicht, wer weiß, lassen sich damit auch Flaschen öffnen. FRA
Der Deutsche Comedy-Preis
Dieser Preis adelt jeden Gewinner zum Größten der Größten. Denn wer kann schon von sich behaupten, selbst Gemüse zum Lachen zu bringen. Wie eine adipöse Zucchini, eine zu kurz geratene, aufgedunsene Gurke kommt dieser formschöne Preis daher, durch hellen Lack gezogen der profanen Gemüsetheke entrückt. Ein breite Kerbe gibt dieser Trophäe für die nachhaltigsten und die Leitkultur bereicherndsten Gags selbst ein ansteckendes Lachen. Wer bei diesem Anblick von handlicher Fröhlichkeit nicht mitlacht, die Schultern entkrampft, im Leben wieder einen Sinn entdeckt und den Scheidungsantrag zurückzieht, beweist nur, dass er schwer an seinem Herz aus Stein trägt. Den Nörglern sei es entgegengeschmettert: Dies ist ein Preis, der Emotionen weckt! Allerdings: Wer ihn bekommt, umklammert ihn gleich verschämt, und auf manche mag das aussehen wie: Rührend, der will den gar nicht mehr loslassen. Clever. Den Juroren sei es nachdrücklicher denn je angemahnt: Diese Preziöse hat die Ferres immer noch nicht. FX
Deutscher Fernsehpreis
Was da seit 1999 zur „Würdigung hervorragender Leistungen für das Fernsehen“ von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 verliehen wird, wirkt auf den ersten Blick wie eine Designer-Pfeffermühle. Auf den zweiten Blick wiederum wirkt dieser Preis wie der schale Kompromiss, der er ist. Erst dem dritten Blick enthüllt dieses seltsame Artefakt seine vornehm zurückgenommenen ästhetischen Reize. Man muss also schon fernsehtypisch lange hinschauen, bevor sich diesem Ding irgendwas Interessantes abgewinnen lässt. Dann aber muss man sagen: Aha, ja, es atmet Transparenz und kantige Klarheit – und das einzige, was dem vollen Durchblick sich kugelnd in den Weg stellt, ist eine in blasenhafter Schwerelosigkeit befangene stilisierte Glotze. Auf offiziellen Fotos, warm ausgeleuchtet also, wirkt dieser kleine Fernseher ein wenig wie eine in Bernstein eingeschlossene Fliege – faszinierend, selten, tot. Für diese skulpturale Katastrophe spricht immerhin, dass Berufsästhet Marcel Reich-Ranicki sie in seiner legendären „Schmährede“ anlässlich seiner Ablehnung des Preises mit keiner Silbe erwähnte. Andererseits ist dieser Glasbaustein auch nicht so attraktiv, dass Reich-Ranicki sich ein Vorbild an Veronica Ferres genommen und gesagt hätte: „Okay, das war Blödsinn, was wir hier heute Abend zu sehen bekommen haben. Aber dieser Preis an sich, so als Objekt, ist einfach unabweislich so todschick, da muss ich einfach ein Auge zudrücken.“ FRA
Echo
Deutschland ist der drittgrößte Musikmarkt der Welt. Logisch, dass daher ein originär teutonischer Preis verliehen werden sollte an Künstler, für besondere Verdienste um … tja, wie soll man das sagen? Sagen wir’s ruhig mit der seligen Rockgruppe Grandaddy, die, wie übrigens auch Veronica Ferres, niemals einen Echo bekommen hat „for selling way more stuff than the other guys“. Der Preis selbst, also die materielle Verlängerung einer ideell gemeinten Auszeichnung, erinnert aus der Ferne an einen dieser tollen Wolkenkratzer, die derzeit in Dubai entstehen – ist allerdings mit Plexiglas-Applikationen und ergänzt um eine knubbelige Kugel, die soeben in den Wolkenkratzer eingeschlagen ist, so heftig, dass die stilisierten Druckwellen sich im Inneren fortsetzen. Dieses kecke Detail illustriert, was man sich in der Musikbranche unter einem „Hit“ vorstellt oder eben unter einem Künstler, der einen echten „impact“ auf das Publikum hat. Es sind dies die feuchten Fieberträume einer im Sterben liegenden Industrie, gegossen in Kunstharz. Perfekt. FRA
Deutscher Filmpreis
Der Deutsche Filmpreis wäre kein deutscher Filmpreis, trüge er nicht einen großen Namen, ganz wie die Vorbilder Oscar aus den USA und César aus Frankreich. Und deshalb heißt diese nicht unelegante Trophäe offiziell Lola. Wie die Rolle der Marlene Dietrich in „Der blaue Engel“. Wie die Lola aus Fassbinders Film „Lola“. Wie die Lola aus Tykwers „Lola rennt“. Und sieht aus wie diese Dame aus dem Bond-Film, die mit flüssigem Gold übergossen und so ins Jenseits befördert wurde. Entsprechend beziehungsreich gestaltet sich auch die Formensprache dieser figürlichen Skulptur, bei der man unwillkürlich an eine in Tapeten eingewickelte und überdies glatzköpfige Veronica Ferres denken muss. Tatsächlich handelt es sich bei Lola um eine glatzköpfige Veronica Ferres, die ihre reizvolle Blöße schamhaft mit einer stilisierten Filmrolle verhüllt – im Gegensatz zu ihrem älteren Bruder Oscar, der zu seiner Nacktheit steht und pikante Stellen seines athletischen Körpers, warum auch immer, mit einem Schwert bedeckt. Lola gibt sich da verletzlicher, nachdenklicher, irgendwie filmförderungsmäßiger, und schwebt musengleich auf einem angeschrägten Sockel, der auf die Vergänglichkeit aller weltlichen Erfolge hindeuten könnte. Muss aber nicht. Zudem liegt die Lola dermaßen sicher in der Hand, dass sich damit bei Bedarf problemlos die Unterkiefer nörgelnder Kritiker zertrümmern lassen. FRA
Bambi
Ein Reh mit goldenem Teint – begehrenswerter geht’s nicht. Oder haben Sie schon einmal diese scheuen Wesen des Waldes knuddeln und, wenn’s Ihnen ein Bedürfnis ist, sogar auf die Schnauzen-Spitze knutschen und busseln können und danach garantiert keine Fellhaare oder müffelnde Nässe auf den Lippen gespürt? Ein romantisches Versprechen von Ruhe in der Lichtung vor dem Rummel der Welt. Nichts gegen Bambi: Dieser Preis ist putzig und gleichzeitig glänzend erhaben, scheinbar aus demselben mythischen Forst wie so manche Edel-Vollmilch-Osterhasen. Ein Must-Have aus Edelmetall für Menschen mit Edelmut, Größe und Geschmack. Außerdem macht es jeden neuen Besitzer in dieser so brutal durchmedialisierten Welt nicht stolz und unendlich dankbar, dass dieses possierliche Reh nicht verschreckt den Kopf senkt, am Boden schnüffelnd nur ans Essen denkt, sondern so anmutig und sexy den Kopf zur Seite dreht? Als hätte sich Bruce Darnell auf weiter Flur persönlich um dieses zivilisierende Training gekümmert. Ein Reh, ein Profi. Wie die Ferres.Toll. FX
Goldene Henne
Dieser Preis ist eine mutige, moderne Absage an die ewig Gestrigen. An all diejenigen, die es wurmt, dass die glorreichen Zeiten vorbei sind, als Bildhauer noch die respektable, mächtige Physis der mit Geistesfülle und Strahlkraft gesegneten Herrscher, Reformer und Helden des Vaterlandes von den Stiefel- bis zu den Haarspitzen detailgenau modellierten und in Bronze gossen. Diese goldene Henne ist eine Emanzipation und Avantgarde der abbildenden Gedächtniskultur. Denn dieser Preis soll eine Hommage an die bereits verstorbene Sängerin und Entertainerin Helga Hahnemann sein. Ihr Spitzname: Henne. Eine goldige Idee. Das ist Kunst. Das ist innovatives Denken, das Deutschland schmückt, den trägen Geist kitzelt und reizt – wie die Ferres – und beweist: im Osten viel Neues. Hier werden die größten Eier gelegt, aus denen Großes schlüpft. Die Liste der Träger dieses Preises, den der Mitteldeutsche Rundfunk zusammen mit den Zeitschriften Super TV und Superillu verleiht, ist ein Who’s who deutscher Leistungsträger, von Stefanie Hertel bis Ursula von der Leyen. FX