: Mal drüber reden
Die Sicherheitsmängel des AKW Brunsbüttel machen Hamburgs wahlkämpfende Politiker schier sprachlos
Was waren das für Zeiten, als der Streit um die Atompolitik in Hamburg noch Bürgermeister wie den Sozialdemokraten Hans-Ulrich Klose zum Abtritt zwang. Als den in Brokdorf-Schlachten kampferprobten Grünen noch AKW-nein-danke-Slogans als Wahlprogramm genügten. Als der Konflikt um den Verkauf der Hamburgischen Electricitätswerke und den damit schwindenden energiepolitischen Einfluss der Stadt noch sozialliberale Koalitionen fast zum Platzen brachte.
Alles Geschichte: Im Hamburger Wahlkampf 2004 ist die Debatte um die atomare Sicherheit des hamburgnahen Uralt-Reaktors Brunsbüttel ein Minusthema. Wenn der Chef des Bundesamtes für Strahlenschutz aus Sicherheitsgründen die Abschaltung des gegen Angriffe aus der Luft nicht geschützten Atommeilers fordert, fällt Hamburger Politikern dazu rein gar nichts ein.
Anruf bei der CDU. „Das Thema hatten wir lange nicht mehr“, erklärt sich Fraktions-Pressesprecher Hein von Schassen für nicht sprechfähig. Hört sich dann in der Fraktion um und verblüfft mit der Nachricht: „Wir werden darüber reden müssen, eine Meinungsbildung hat bei uns nicht stattgefunden.“
Und die SPD? Deren umweltpolitische Sprecherin Monika Schaal will sich „erst mal in die aktuelle Debatte einlesen“, um nach erfolgter Lesestunde schließlich zu verkünden, dass sie „dazu aus dem Stegreif gar nichts sagen“ könne. Aber man müsse nach der Wahl im neuen Umweltausschuss „dringend mal über dieses Thema reden“.
Aber die Grünen: Den Enkeln der Anti-AKW-Bewegung wird doch sicher ein kraftvoller Kommentar zu der atomaren Gefahr einfallen. Leider schafft es die GAL-Fraktion binnen fünf Stunden nicht, sich zu einem Urteil aufzuschwingen. Der versprochene Rückruf fällt aus.
Nicht sprachlos bleibt allein der Regenbogen, die linke Abspaltung der GAL. Dessen Spitzenkandidatin Heike Sudmann verkündet ganz ungefragt genau das, was man von ihr erwartet: Brunsbüttel müsse „sofort abgeschaltet werden – ohne Wenn und Aber“. Da muss kein kompliziertes Meinungsbild geschaffen werden, die Position steht ohnehin seit 20 Jahren fest. Nur mag sie niemand mehr hören: Der Regenbogen wurde bei der letzten Bürgerschaftswahl in die außerparlamentarische Opposition gewählt und wird dort – allen Umfragen zufolge – auch weiterhin bleiben. Marco Carini