frühfolgen des spätrauchens von JOACHIM SCHULZ
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Dass Rauchen die Gesundheit schädigt, ist ja weidlich bekannt. Indessen rechnet man vor allem mit Defekten wie Lungen- und Gefäßverkleisterung, nicht aber mit Gebresten, die in das Fachgebiet des Unfallchirurgen fallen. Ich jedenfalls habe bislang auf keiner Zigarettenpackung gelesen: „Die EG-Gesundheitsminister: Rauchen führt zu Hals- und Beinbruch.“

Gerade so was aber scheint eben auch zu den Risiken des Tabakverzehrs zu gehören, und das erfahre ich, als die Liebste von einem Wochenendbesuch bei einer alten Busenfreundin in Karlsruhe zurückkehrt und ich sie vom Bahnhof abhole. Zwar wird sie mir nicht in einem Ganzkörpergips von zwei Rotkreuzhelfern entgegengetragen, dafür aber ist ihr linkes Auge von einem formvollendeten dunkellila Veilchen eingerahmt. „Wer war der Lump!?“, rufe ich denn auch sofort: „Wer ist es, dem Zorro Rache schwören muss!?“

Wie aber schon angedeutet, ist kein ruchloser Schurke für die Verfärbung der Augenumrandung verantwortlich, sondern das Vergnügen, das die Liebste am Zigarettengenuss hat: Weil nämlich die alte Busenfreundin neben dem Umzug ins Badische auch den Fehler gemacht hat, mit dem Rauchen aufzuhören, war die Liebste dazu gezwungen, sich zum Rauchwerkkonsum auf die Terrasse des Busenfreundinheims zu begeben. Auf dem Rückweg von einem dieser Ausflüge ins Freie geschah’s dann: Die Liebste rutschte auf den feuchten Gießbetonplatten aus, folgte dem Ruf der Schwerkraft, bekam die Hände, die sie tief in den Hosentaschen vergraben hatte, nicht schnell genug nach vorne und krachte deshalb mit der linken Schläfe gegen den Rahmen der Terrassentür. Die Folge war zunächst nur eine kapitale Beule. Als aber die Liebste am nächsten Morgen in den Spiegel blickte, wusste sie, dass sie in der nächsten Zeit bei jeder Begegnung mit Freunden oder Kollegen immer wieder dieselbe Frage würde beantworten müssen.

„Armes, kleines Pandabärchen!“, schmunzle ich mithin und bringe sie nach Hause. Das Schmunzeln indes soll mir bald vergehen. Kaum nämlich neigt sich der nächste Tag dem Abend entgegen, klingelt das Telefon ununterbrochen: „Schuft!“ und „Bluthund!“ und „Prügelgangster!“ zischen mir fremde weibliche Stimmen ins Ohr, und selbstverständlich frage ich die Liebste, als sie vom Dienst heimkehrt, was, um alles in der Welt, sie in der Stadt für Geschichten erzähle? Sie aber weist alle Schuld von sich und schwört einen heiligen Eid, dass sie nur mit einer Hand voll Kollegen gesprochen und außerdem nichts als die Wahrheit berichtet habe.

Indessen scheint so eine Wahrheit nicht nur absolut unglaubwürdig zu sein, sondern sich obendrein umgehend in ein degoutantes Gerücht zu verwandeln, das lauffeuerartig bis zu den kämpfenden Einheiten der Frauenbewegung vordringt. Schon trudeln die ersten Drohbriefe ein, schon steht in riesigen Buchstaben „Bestie!“ auf der gegenüberliegenden Hauswand, und als ich endlich ein mehrfaches heftiges Schellen der Haustürklingel vernehme, da weiß ich, dass auch das wasserdichte Alibi, das ich besitze, meine unmittelbar bevorstehende standgerichtliche Erschießung nicht verhindern können wird.