Postkolonie

Sarah Khan: „Eine romantische Maßnahme“, Eichborn Verlag, Berlin 2004,243 Seiten, 18,90 Euro

Für William, den zweiundzwanzigjährigen Amerikaner, Student in Heidelberg und Held in Sarah Khans drittem Roman „Eine romantische Maßnahme“, ist Deutschland ein großer Abenteuerspielplatz – eine Art Schonung, die sich noch ein kleines Weilchen davor bewahrt, in Amerika den Ernst des Lebens anzutreten. Und wie es sich gehört für so ein nettes kleines Vakuum, weiß William überhaupt noch nicht, wo es für ihn langgehen soll. Einerseits ist er noch immer in Ruben verliebt, den ehrgeizigen Medizinstudenten, der ihn verlassen hat. Andererseits fühlt er sich magisch angezogen von Maxine, einer überdrehten Schauspielerin.

Obwohl er sich lieber um seine schwulen Bekannten kümmern würde, folgt er Maxine und lässt sich von ihr bei ihrer Tante einführen, der Antiquitätenhändlerin Ines Kochenrath. Und obwohl William den Sommer genießen wollte, verplempert er Wochen in deren Villa, sortiert ihre Schätze und findet nach und nach heraus, wie sehr seine neue Chefin in der düsteren deutschen Vergangenheit hängen geblieben ist.

Der dritte Roman der deutsch-pakistanischen, 32 Jahre alten Autorin Sarah Khan hätte eine hübsche Geschichte über einen sympathischen jungen Mann in einer orientierungslosen Phase werden können. Doch leider war Sarah Khan ehrgeiziger. Es scheint, als habe sie den großen deutschen postkolonialistischen Wurf dieses Jahrzehnts nach Thomas Meineckes Roman „Hellblau“ machen wollen.

Was dabei jedoch herausgekommen ist: Eine oberflächliche Tour de Force durch alles, das man in Deutschland so unter „Clash der Kulturen“ subsumieren könnte. Vom befreundeten Kalifornier mit indischem Hintergrund über den geliebten Musicaldarsteller, der aus Hongkong stammt, bis hin zu japanischen Touristen und der Stationierung von Elvis in Heidelberg wird nichts, aber auch wirklich gar nichts ausgelassen.

Und so richtig peinlich wird es erst, wenn es um besagte Altlasten geht. Auch, wenn man damit unter Verdacht gerät, die durch und durch deutsche Vergangenheit als durch und durch deutsche Angelegenheit zu reklamieren: Sarah Khan versteht einfach ebenso wenig von Nazis in Heidelberg wie jeder andere ihrer Generation, mit welchem kulturellen Hintergrund auch immer. Je geschichtsträchtiger die Schauplätze und Personen werden, desto manierierter und gestelzter wird Sarah Khans Stil. Und William? Der arme William, an dem man sich so gern festgehalten hätte, geht ziemlich verschütt.