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Archiv-Artikel

„Es fehlte etwas“

Vor einem Jahr ging in Dubai die Konkurrenz zu al-Dschasira auf Sendung. Ein Gespräch mit Anis Abul-Ella, dem Korrepondenten für al-Arabia in Berlin

Der Kanal mit der coolen Studiokulisse wurde von saudischen, kuwaitischen und libanesischen Geldgebern gegründet: als moderate Antwort auf al-Dschasira. Im Fernsehkrieg um den Irak sorgte der Sender für Schlagzeilen: Unmittelbar nach Kriegsende bekam al-Arabia Tonbänder von Saddam Hussein zugespielt. Machte sich der Sender damit zum Sprachrohr des Diktators? Die USA kritisierten al-Arabia, und die Übergangsregierung in Bagdad drohte mit Sanktionen.

taz: Als al-Arabia vor einem Jahr auf Sendung ging, da gab es schon viele arabische Satellitenkanäle. Wozu brauchten die Zuschauer noch einen weiteren Kanal?

Anis Abul-Ella: Wir kamen zu dem Schluss, dass noch etwas fehlt. Die Mehrzahl der Sender ist staatlich. Es fehlte noch etwas. Die Mehrzahl der Sender ist staatlich. Sie berichten nicht objektiv. Die Idee von al-Arabia war sehr ähnlich wie die von al-Dschasira: Wir wollten uns an die arabischen Zuschauer wenden, unsere Themen aufgreifen. Wir wollten unabhängig und objektiv sein. Aber wir wollten auch anders sein als al-Dschasira: nicht so aufgeregt und mit mehr Tiefgang.

Der Bildschirm von al-Arabia sieht sehr modern aus. Was für Leute arbeiten bei Ihnen?

Im Newsroom bei uns in Dubai sieht es aus wie bei einer Tagung der Arabischen Liga. Es gibt Sudanesen, Ägypter, Libanesen, Palästinenser, Araber aus allen Ländern. Wir wollen diesen Pluralismus. Es sind Journalisten mit Erfahrung. Und dann müssen natürlich die Technik stimmen und das Design: Der Zuschauer soll sich bei uns zu Hause fühlen.

Nur vier Wochen nach Sendebeginn marschierten die Koalitionstruppen im Irak ein. Für einen Nachrichtensender eine ganz schöne Herausforderung, oder?

Das kann man so sagen. Wir haben versucht, ganz dicht an der Realität der Menschen im Irak zu sein. Unsere Reporter waren während des ganzen Krieges in Bagdad und in den Provinzen. Sie wurden beschossen, eine Crew wurde gekidnappt, eine andere von den Amerikanern festgehalten. Bei der Berichterstattung aus dem Irak darf man nicht vergessen: Es gibt dort verschiedene Strömungen, es gibt dort auch Leute, die für Saddam Hussein sind. Auch wenn das dem Westen nicht gefällt.

Es gab massive Kritik an al-Arabia, nachdem sie die Tonbänder von Saddam Hussein gesendet haben.

Saddam Hussein war ein Diktator, und er hat viele Menschen auf dem Gewissen. Aber es gibt viele Menschen, die ihn verehren: besonders die Sunniten im Irak, aber auch Menschen in der ganzen arabischen Welt. Da kann man nicht einfach ignorieren, wenn er eine Botschaft veröffentlicht. Ich denke, man muss sich frei machen von den Definitionen der Großmächte, wenn es darum geht, zwischen Freiheitskämpfern und Terroristen zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist immer relativ. Das ist ein Problem der westlichen Berichterstattung über den Nahostkonflikt.

Die Übergangsregierung hat al-Arabia neulich gedroht, dass sie das Studio in Bagdad schließen würden. Wie kommen Sie im Moment zurecht?

Die Beziehungen waren ausgesprochen angespannt, doch es hat sich jetzt verbessert. Wir haben da eine ganz einfache Argumentation: Es wurde angekündigt, dass es im Irak Demokratie geben soll. Da kann man dann nicht einfach die Pressefreiheit einschränken. Wer A sagt, muss auch B sagen. Die Berichterstattung läuft jetzt ohne größere Probleme.

Die Kluft zwischen arabischer Welt und dem Westen scheint immer tiefer zu werden. Wenn man Talkshows auf den arabischen Kanälen anschaut, da ist viel von Misstrauen und Hass die Rede.

Die Erklärung für diesen Graben ist sehr einfach: Die Berichterstattung im Westen ignoriert einen Punkt, der die Gefühle der arabischen Völker bewegt. Nämlich die Situation in Palästina. Sie sehen in Israel nur die Opfer des Holocaust. Dass israelische Soldaten jeden Tag palästinensische Frauen und Kinder umbringen mit dem Argument, es seien Terroristen, das wird ignoriert. Es gibt sonst keinen Konflikt, in dem eine Seite so uneingeschränkt definieren darf, wer Terrorist ist. Klar, dass sich da viele in der arabischen Welt benachteiligt und unterdrückt fühlen. Und dann kommen die USA und sagen, dass sie Saddam Hussein bekämpfen müssen, denn er bedrohe die USA. Uns war nie klar, wie Saddam die USA bedrohen sollte. Aber die Araber finden, dass es andere Bedrohungen gibt, die man bekämpfen könnte.

Sie berichten aus Deutschland und Österreich. Wofür interessiert sich der arabische Zuschauer, wenn es um uns geht?

Die arabischen Zuschauer haben ein sehr positives Bild. Deutschland hat keine koloniale Vergangenheit und macht eine sehr vernünftige Politik. Mit Projekten und mit Entwicklungshilfe. Das macht es sehr angenehm, von hier zu berichten. Besonders interessiert sie die Europapolitik, die Politik Deutschlands zum Nahen Osten. Die Israelpolitik natürlich auch, aber ebenso die Haltung zu den Palästinensern. Diese Woche war beispielsweise der palästinensische Ministerpräsident Kurei da. Wir berichten ebenfalls über Wissenschaft und Technik. Die Haltung der Deutschen im Irakkrieg hat sie bei uns noch beliebter gemacht. Die Menschen genießen es, etwas aus Deutschland zu sehen.

INTERVIEW: JULIA GERLACH