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Archiv-Artikel

Wahlen gefährden Sri Lankas Waffenstillstand

Präsidentin Chandrika Kumaratunga hat im Vorfeld der Parlamentswahlen der Regierung von Premierminister Ranil Wickremesinghe ins Handwerk gepfuscht und ein Wahlbündnis mit einer Anti-Tamilen-Partei geschlossen

Der zweijährige Waffenstillstand hat dem Land den längsten Frieden seit 20 Jahren gebracht

DELHI taz ■ In Sri Lanka endet heute die Bewerbungsfrist der Kandidaten für die Parlamentswahlen am 2. April. Die prägt der Machtkampf zwischen Präsidentin Chandrika Kumaratunga und Premierminister Ranil Wickremesinghe. Sie sind nicht nur Rivalen aus unterschiedlichen politischen Lagern, sondern haben auch persönlich eine vergiftete Beziehung. Doch vor allem stehen sie für einen unterschiedlichen Kurs gegenüber den separatistischen Tamil-Tiger-Rebellen (LTTE).

Wickremesinghe hatte der Präsidentin vorgeworfen, mit der vorzeitigen Auflösung des Parlaments – es hat erst zwei von fünf Jahren absolviert – gegen die Verfassung verstoßen zu haben. Denn seine Regierung habe eine solide Parlamentsmehrheit. Doch das Grundgesetz gibt der Präsidentin das Recht, die Volksversammlung nach Ablauf eines Jahres zu entlassen. Und laut Oberstem Gericht ist die Präsidentin nicht nur Staatsoberhaupt, sondern bestimmt auch das Kabinett und verantwortet die Landesverteidigung.

Die Wähler hatten Ende 1999 Kumaratunga von der „Sri Lanka Freedom Party“ (SLFP) zur Präsidentin gewählt, aber ein Jahr später der „United National Party“ (UNP) von Wickremesinghe die Parlamentsmehrheit gegeben. Am 22. Februar 2002 hatte die UNP mit der tamilischen Rebellenorganisation LTTE einen Waffenstillstand vereinbart. Er war Grundlage für Friedensgespräche, die mit Hilfe Norwegens zunächst rasche Fortschritte machten, bevor sie im April 2003 auf Grund liefen und abgebrochen wurden.

Wickremesinghe war die treibende Kraft der Verhandlungen, während die Präsidentin trotz starker Exekutivfunktion kaum einbezogen wurde. Sie argwöhnte, dass Wickremesinghe der LTTE in deren Streben nach einem quasi unabhängigen Teilstaat im Norden und Osten zu weit entgegenkam. Ende Oktober präsentierten die Tamil Tigers einen radikalen Übergangsplan, der in eine Sezession unter alleiniger LTTE-Führung mündete. Als die Regierung abwartend reagierte, zog Kumaratunga die Notbremse. Sie entließ vier Minister und übernahm mit dem Verteidigungsressort selbst einen Schlüsselbereich.

Empört gab Wickremesinghe darauf die Verantwortung für die Gespräche ab, die norwegischen Vermittler zogen sich zurück. Eine Einigung konnte nicht erreicht werden. Angesichts von Gerüchten über Neuwahlen versuchte die UNP, der Auflösung des Parlaments mit einem Entlassungsverfahren gegen die Präsidentin zuvorzukommen. Dies vertiefte Kumaratungas Misstrauen. Sie vereinbarte überraschend eine Allianz zwischen ihrer SLFP und der chauvinistisch-nationalistischen „Janatha Vimukti Peramuna“ (JVP).

Wickremesinghes UNP, die mit den Stimmen kleinerer Tamilien-Parteien regiert, wird den zweijährigen Waffenstillstand zum Wahlkampfthema machen. Er hat dem Land erstmals seit 20 Jahren über eine so lange Dauer Frieden gebracht. Die UNP glaubt, dass sie die Friedensdividende für die Wirtschaft eingelöst hat und das Wachstum mit Reformen weiter ankurbeln konnte. Kumaratungas Partei dagegen wird dies anfechten und darauf verweisen, dass die Marktreform vor allem die städtischen Mittelschichten favorisierte und die große Mehrheit der ländlichen Wähler unberührt ließ.

Die Allianz mit der JVP wird diese Kritik noch zuspitzen, verfolgt diese Partei doch eine klassenkämpferische Agenda, wie sie sich in den 70er-Jahren mit Bauernrevolten und Feme-Morden zeigte. Dazu hat sie eine antitamilische Haltung, welche die Selbstbehauptung der singhalesisch-buddhistischen Bevölkerungsmehrheit auf ihre Fahne geschrieben hat. Eine solche „nationalsozialistische“ Ideologie könnte entsprechende Tendenzen auch im größeren Allianzpartner der Kumaratunga-Partei stärken. Die JVP organisierte in den letzten zwei Jahren Demonstrationen gegen den Waffenstillstand und denunzierte Norwegens Vermittlung als westlich-christliche Einmischung.

Diese chauvinistische Haltung wird dafür verantwortlich gemacht, dass Angriffe auf christliche Institutionen zunahmen. Beide Parteien zusammen erreichten bei der letzten Parlamentswahl einen höheren Wähleranteil als die UNP und hoffen, diesen am 2. April in eine Parlamentsmehrheit umzuwandeln.

Beobachter in Colombo beurteilen Kumaratungas Zusammengehen mit einer Partei, die noch vor einigen Jahren zum Terroruntergrund gehörte, als Spiel mit dem Feuer. Während die Präsidentin eine echte Autonomielösung für die Tamilen anstrebt, will die JVP nur eine administrative Dezentralisierung ohne Lockerung der Zentralmacht zulassen. Dies ist für die LTTE inakzeptabel.

Die Tamil Tigers sehen in der Präsidentin das unnachgiebige Gesicht des Sinhala-Nationalismus. Sie machten aus ihrer Antipathie zu Kumaratunga nie einen Hehl und bewiesen dies mit dem Attentatsversuch vom Dezember 1999. Die LTTE betonte in den letzten Monaten, sie sei mit jeder „legitimen Vertretung des sri-lankischen Staats“ zu verhandeln bereit. Die Allianz mit der JVP, die in vielem das radikale singhalesische Pendant zum ethnischen Nationalismus der LTTE darstellt, hat das Misstrauen der Tamilenführung aber noch gesteigert. BERNARD IMHASLY