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Archiv-Artikel

„Der Investor wird vernünftig sein“

Bislang ist es für Großinvestoren nicht möglich, die Mehrheit der Anteile in einem Verein der deutschen Fußball-Bundesliga zu übernehmen. Martin Kind, Chef und Geldgeber von Hannover 96, möchte das ändern: Er kämpft dafür, dass sich die Bundesliga stärker für den Kapitalmarkt öffnet

MARTIN KIND, 64, kommt aus Großburgwedel und ist Geschäftsführer, Vorstandsvorsitzender und Geldgeber von Hannover 96. Außerdem ist er Eigentümer der Kind-Gruppe, die Hörgeräte herstellt. Kind gliederte Ende 1999 bei 96 den Profi-Fußball in eine KGaA aus. Seit Herbst 2006 ist er Vorreiter im Kampf gegen die 50+1-Regelung und liegt darüber im Clinch mit Liga-Präsident Reinhard Rauball. Im Oktober hat Kind eine Klage angekündigt, falls die Regel Bestand hat. FOTO: DPA

INTERVIEW KLAUS IRLER

taz: Herr Kind, mangelt es Hannover 96 an Geld?

Martin Kind: Ja. Aber das betrifft nicht nur Hannover 96. Die Wettbewerbsfähigkeit vieler Bundesliga-Vereine ist national und international nicht gegeben.

Was ist das Problem?

Wenn ich konkret Hannover 96 nehme, dann haben wir ein zu geringes Eigenkapital, wir haben zu geringe Umsätze und wir erwirtschaften keinen Gewinn. Damit haben wir keine Zukunft. Um die Zukunft zu gestalten, brauchen wir eine deutliche Kapitalerhöhung (Bilanz) und wir müssen parallel dazu investieren, damit wir den Umsatz (Gewinn und Verlust) von heute 50 Millionen mittelfristig auf mindestens 75 Millionen erhöhen können.

Und das Problem haben alle?

In der Bundesliga gibt es Vereine, die auf der Kapitalseite stark sind: Bayer Leverkusen mit dem Eigentümer Bayer-Werke, Wolfsburg mit dem Eigentümer VW-Konzern und Hoffenheim. Und dann gibt es nochmal sechs Vereine, die Erträge erwirtschaften und die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit haben, um ihr Produkt weiter zu entwickeln.

Zur Lösung des Problems wollen Sie die 50+1-Regel abschaffen. Worum geht es bei der 50+1-Regel?

Der DFB hat genehmigt, dass die Vereine die Profifußball-Abteilungen in Wirtschaftsunternehmen ausgliedern. Dabei darf es nur drei Rechtsformen geben, nämlich die AG, die GmbH und die GmbH & Co. KGaA (aA: als Aktiengesellschaft). In jedem Fall muss der Mutterverein die Mehrheit der Anteile halten. Erreicht werden soll damit, dass der Mutterverein wesentlichen Einfluss auf Entscheidungen behält. Diese Vorschrift nimmt uns unsere Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb ist es zu modifizieren.

Berühmt wurde der Fall des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch, der den FC Chelsea gekauft hat. Wer könnte in Deutschland als Investor auftreten?

Das kann ich nicht beantworten. Ich kenne nur das hannoversche Modell, bei dem es nur Hannoveraner sind, die sich beteiligen würden. Der englische Fußballmarkt ist in Historie und Kultur nicht mit dem deutschen vergleichbar. Die englischen Vereine waren immer schon als Wirtschaftsunternehmen strukturiert, darum haben sich Investoren auf den englischen Markt konzentriert. Ich sehe im Moment wenige Investoren, die sich mit dem deutschen Fußballmarkt beschäftigen.

Warum?

Der deutsche Fußballmarkt ist nicht attraktiv unter wirtschaftlichen Beurteilungen. Die meisten Vereine sind unterkapitalisiert und haben zu geringe Ertragspotenziale. Investoren, die nach Rendite-Gesichtspunkten entscheiden werden ausfallen.

Wer soll dann in Deutschland investieren und warum?

Ich vermute, es könnten Leute sein wie Herr Hopp (SAP-Mitbegründer und Geldgeber der TSG Hoffenheim, d. Red.), die ihre Emotionen und ihre Verantwortung regional zuordnen. Oder strategische Investoren wie Adidas bei Bayern München.

Grundsätzlich ist die Sorge, dass ein Investor einen Verein übernimmt und auf die ein oder andere Art ruiniert.

Das ist der Eindruck, der immer in der Öffentlichkeit vermittelt wird. Aber es gehören immer zwei dazu: Einer der abgibt und einer der kauft. In der Entscheidungsphase hat der, der verkauft, immer eine höhere Verantwortung. Der Verein entscheidet, ob er einen Gesellschafter aufnimmt, wen er aufnimmt, welche Anteile er abtritt und zu welchen Optionen. Er muss sicher stellen, dass es seriöse Investoren sind, die mit den Zielen des Vereines korrespondieren.

Aber mischen sich nicht in jedem Fall wirtschaftlich denkende Menschen in den Sport ein?

Das glaube ich nicht. In den Vereinen gibt es genau so viele Menschen, die mitreden wollen, wie bei Wirtschaftsunternehmen. Der Investor aber wird immer vernünftiger sein, weil er sein eigenes Geld vernichtet, wenn er Fehlentscheidungen trifft oder sich einmischt in Prozesse, von denen er keine Ahnung hat – wovon ich aus eigener Erfahrung abraten kann.

Denkbar wäre ein Investor, der so reich ist, dass...

... aber auch der will kein Geld einfach so verlieren. Ich bin seit 40 Jahren berufstätig und habe noch keinen Investor erlebt, der freiwillig sein Geld vernichtet. Dann wäre er nicht so reich geworden.

Trotzdem besteht die Angst, dass ein aufgekaufter Verein zum Spielgerät wird.

Das kann nicht sein. Die Vereine können alles über Verträge gestalten. Das wird immer vergessen. Darin kann geregelt sein, dass der Investor ausschließlich für die Besetzung der Geschäftsführung, die Genehmigung des Haushalts und die Genehmigung der Investitionen verantwortlich ist. Auf operative Einflussnahme sollte dringend verzichtet werden.

Wie würde sich die Liga verändern, wenn die Vereine mehr auf Rendite ausgerichtet sind?

Ich weiß gar nicht, ob es gelingt, die Vereine auf Rendite auszurichten. Erstmal geht es darum, sie auf Erfolg und vernünftige Finanzstrukturen auszurichten. Dann kommen die Investitionen und als Ergebnis davon vielleicht irgendwann der wirtschaftliche Erfolg.

Hieße der Wegfall der 50+1-Regel nicht, dass die populären Clubs wie Schalke oder der HSV finanziell noch weiter davon ziehen – weil die Investoren bei den kleinen gar nicht erst einsteigen würden?

Das kann man nicht ausschließen. Ich glaube es aber nicht, weil der Kauf von Anteilen an solchen Vereine unheimlich teuer wäre. Ich glaube eher, dass sich Investoren auf die preisgünstigeren Vereine konzentrieren würden, weil sie dort positive Entwicklungspotenziale sehen.

Wie würde sich Ihre Beteiligung bei Hannover 96 verändern, wenn die 50+1-Regel fällt?

Die würde geringer, weil neue Gesellschafter dazukommen. Ich würde das ausdrücklich begrüßen.

An wie viele Gesellschafter denken Sie?

Es gibt ja jetzt schon sieben hannoversche Unternehmen und Privatpersonen, die bisher den Prozess 96 finanziert haben. Diese Gesellschafter sind bereit, weitere Kapitalerhöhungen durchzuführen. Darüber hinaus gibt es zwei weitere Hannoveraner, die bereit sind, mit einzutreten. Aber die wollen Einfluss haben auf die Besetzung der Geschäftsführung und auf die Genehmigung des Haushalts und der Investionen.

Wie wollen Sie die Abschaffung der 50+1-Regel erreichen? Im Ligaverband stoßen Sie mit dem Vorhaben auf große Opposition.

Ich weiß gar nicht, ob die Opposition groß ist. Die Sitzung am 21. November hat gezeigt, dass sich der überwiegende Teil der Verantwortlichen mit dem Thema bisher gar nicht beschäftigt hat. Wir haben vereinbart, dass die Verantwortlichen aller 36 Vereine ein Arbeitspapier bekommen, in dem alle Sachverhalte nochmal dargestellt sind, so dass sie sich eine eigene Meinung bilden können.

Und dann?

Wir werden voraussichtlich Anfang 2009 das Arbeitspapier den Vereinen zuschicken. Dann wird die Deutsche Fußball Liga und der Ligaverband im März / April zur nächsten Mitgliederversammlung einladen und dann wird es dort ausdiskutiert.

Falls es mit einer gütlichen Einigung nichts wird, haben Sie angekündigt, zu klagen.

Wir werden erstmal versuchen, zu überzeugen. Es wird keine Rechtsklärung geben, bevor es nicht eine Abstimmung gegeben hat.