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Archiv-Artikel

Intensiver um Themen für die Zukunft der Menschen kümmern

Am Sonntag wählt Hamburg eine neue Bürgerschaft. Den nächsten Bürgermeister werden CDU oder SPD stellen, die möglichen Koalitionspartner sind FDP oder GAL. Heute im taz-Interview über Gemeinsamkeiten mit der GAL und die Spiegelbilder der CDU: SPD-Bürgermeisterkandidat Thomas Mirow

„Strittig werden sicher sein bestimmte Infrastrukturfragen. Und Themen in der Inneren Sicherheit“„Erhebliche zusätzliche Kita-Plätze sind zum Beginn des nächsten Schuljahres zu schaffen , also bis August“

Interview: peter ahrens und sven-michael veit

taz: Werden Sie, Herr Mirow, Mitglied des nächsten Hamburger Senats sein?

Thomas Mirow: Der Erste Bürgermeister ist Mitglied des Senats, ja.

Sie gehen also davon aus, dass Sie Ole von Beust als Regierungschef ablösen werden?

Natürlich.

Als Bürgermeister einer rot-grünen Koalition?

Ja.

Dann zählen Sie doch mal ein paar Gemeinsamkeiten von SPD und GAL auf.

Viele Gemeinsamkeiten gibt es gerade bei den Themen, die in diesem Wahlkampf zwischen den Regierungsparteien und der Opposition besonders strittig waren: Die Betreuung in Kindertagesstätten, die Weiterentwicklung unseres Schulsystems, der Erhalt der öffentlichen Daseinsfürsorge – Stichwort Landesbetrieb Krankenhäuser. Auch in der Sozial- und der Kulturpolitik werden wir uns sicher schnell einigen können.

Und der große Rest besteht aus Differenzen?

Strittig werden sicher sein bestimmte Wirtschafts- und vor allem Infrastrukturfragen. Und es gibt wohl auch das eine oder andere Thema in der Inneren Sicherheit, über das wir nicht einer Meinung sind.

Bei der Standortpolitik – Elbvertiefung, Hafen und Airbus-Erweiterung – wird die SPD, wird ein Bürgermeister Mirow nach unserer Einschätzung der GAL keinen Millimeter entgegenkommen.

Ich denke, dass der größte Teil dieser Projekte sich bereits erledigt hat und deshalb keinen Anlass für einen Streit bietet. Über eine weitere Elbvertiefung würden wir aber sicher intensiv miteinander reden müssen. Ich habe aber keinen Zweifel, dass wir da zu guten Ergebnissen kommen würden. Denn eine solche Maßnahme ökologisch verträglich durchzuführen, ist auch unser Anliegen.

Sie sehen mögliche Konflikte mit den Grünen bei der Inneren Sicherheit. Der Einsatz von Brechmitteln gegen mutmaßliche Dealer und geschlossene Heime für straffällige Jugendliche sind für die SPD nicht verhandelbar?

Diese Positionen, die ja auch in der SPD lange umstritten waren, haben wir mit viel Mühe entwickelt. Ich halte es nicht für vorstellbar, sie wieder preiszugeben. Ich halte aber auch nichts davon, das Klima von Koalitionsverhandlungen schon vorher dadurch zu verschlechtern, dass man auf bestimmte Positionen lautstark pocht.

Ein zentrales Anliegen der GAL ist sicher der Komplex Migration, Zuwanderung, Integration. Und eine weit weniger rigide Abschiebepraxis als die jetzige und auch als jene, die in der ersten rot-grünen Koalition 1997 bis 2001 für viele Konflikte mit der SPD gesorgt hat. Wie hoch ist die Chance auf einen Konsens?

Wir müssen sehen, was die Grünen da genau erwarten. Wichtig ist dabei, ob es auf Bundesebene ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz geben wird. Und wichtig ist auch, in der Bildungs- und Sozialpolitik real verbesserte Integrationsmöglichkeiten zu schaffen. Ich denke nicht, dass wir da sehr weit auseinander sind. Zudem glaube ich, auch vor dem Hintergrund der vielen positiven Erfahrungen aus der ersten rot-grünen Koalition, dass es zwischen SPD und GAL eine sehr hohe Einigungsbereitschaft und -fähigkeit gibt.

Die Grünen fordern eine Stadtbahn, Sie haben dies kürzlich abgelehnt. Wo soll man sich bei einem Entweder-Oder einigen?

Bei der Stadtbahn muss man schauen, wie weit die Planungen im Jahr 2001 faktisch gediehen waren ...

Bis kurz vor der Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens.

Ja, aber man muss sich einen neuen plastischen Eindruck verschaffen über die Kosten, den Nutzen, die Leistungsfähigkeit dieses Systems. Für mich ist das eine nüchterne Frage der Abwägung von Alternativen, keine ideologische, an der eine rot-grüne Koalition scheitern würde.

Das Wahlergebnis könnte ergeben, dass eine Schill-Fraktion Mehrheiten verhindert: Kein Schwarz, kein Schwarz-Gelb, kein Rot-Grün. Stellt sich dann die Frage einer großen Koalition?

Als Notlösung stellt sich diese Frage, ja.

Wo sehen Sie im Verhältnis zur CDU das inhaltlich Gemeinsame und wo das Trennende?

Das ist fast spiegelbildlich im Vergleich zu dem, was ich über die Grünen sagte. Mit der CDU würde es leichter fallen, sich zu einigen in der Wirtschafts- und Strukturpolitik. Sehr schwer wäre dies vor allem bei den großen Themen dieses Wahlkampfes: Kita, Schule, LBK-Verkauf ...

Die SPD wäre in einem solchen Bündnis nur Juniorpartner – ein auch psychologisches Problem?

Sicher. Aber wenn eine solche Situation wirklich einträte, müsste zunächst die CDU beanworten, welche Koalition sie anstrebt. Wenn sie mit den Grünen verhandeln will, wird die SPD sich nicht auf einen unwürdigen Wettbewerb einlassen. Wir wären bereit, Gespräche zu führen, aber parallele Verhandlungen der CDU mit der GAL und mit uns wird es nicht geben.

Große Koalition hieße, Sie müssten sich mit den Posten des Zweiten Bürgermeisters und Wirtschaftssenators unter Regierungschef von Beust bescheiden.

Das ist eine ganz andere Frage. Ich habe das Mandat meiner Partei, mich als Erster Bürgermeister zu bewerben. Am 29. Februar bin ich entweder in der Situation, dieses Amt ausüben zu können oder nicht. Dann werden ich und die SPD gemeinsam darüber befinden, wie es weitergehen soll.

Ist Ihr politisches Schicksal vom Wahlergebnis abhängig? Sagen wir, die Schmerzgrenze liegt bei 30 minus X?

Ich selbst habe eine Vorstellung davon, was ein sehr gutes, ein gutes und ein schlechtes Ergebnis wäre ...

Nämlich?

Ich halte es für falsch, vor der Wahl darüber zu reden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Wählerinnen und Wähler das eher als Nötigungsversuch verstehen ...

Wie bei Ihrem Vorgänger Henning Voscherau, der 1997 seine Schmerzgrenze bei 37 Prozent absteckte und bei 36,2 Prozent zurücktrat, obwohl es eine rot-grüne Mehrheit gab.

Dafür hat es verschiedene Beispiele gegeben.

Wie halten Sie es mit der FDP, in einer rot-gelben oder Ampelkoalition zusammen mit der GAL?

Das ist nicht attraktiv. Einer FDP, die sich damit begnügt, „Olé, Olé“ zu rufen, traue ich keine substanzielle Rolle zu.

FDP-Spitzenkandidat Reinhard Soltau hat vorgestern im taz-Interview die SPD als nicht koalitionsfähig bezeichnet ...

Dann sind die Verhältnisse ja geklärt.

Gäbe es noch Ihr Verhältnis zu Ole von Beust zu klären: Wie bewerten Sie dessen Absage des TV-Duells mit Ihnen am Mittwoch?

Das war erkennbar ein Kneifen vor der direkten Auseinandersetzung. Und ein Kneifen vor einer inhaltlichen Festlegung, ob etwa der LBK verkauft wird.

Herr Mirow, wir nehmen an, Sie halten sich für den besseren Bürgermeister. Warum?

Weil ich mich intensiver um die Themen bemühe, welche die Zukunft der großen Mehrheit der Menschen in Hamburg bestimmen werden: Teilhabe an Bildung, gute Rahmenbedingungen für eine zeitgemäße Familienentwicklung und öffentliche Daseinsfürsorge. Mein Eindruck ist nicht, dass der Bürgermeister in diesen eminent wichtigen Themenbereichen die richtige inhaltliche Orientierung hat. Zudem kümmert er sich nicht sehr konkret um die Umsetzung von Politik auf diesen Feldern.

Dann sagen Sie uns konkret, was in Hamburg besonders im Argen liegt und was Sie als neuer Bürgermeister als Erstes anpacken würden. Nennen wir es Ihr 100-Tage-Sofortprogramm.

Sehr schnell zu klären ist, wie es mit dem LBK weitergehen soll. Zweitens sind erhebliche zusätzliche Kita-Plätze zu schaffen noch zum Beginn des nächsten Schuljahres, also bis August. Auch würde ich alles daransetzen, zum selben Zeitpunkt zusätzliche Angebote an Ganztagsschulen zu schaffen.

Da haben Sie sich viel Arbeit in kurzer Zeit vorgenommen.

Ja, Hamburg braucht das.