BORIS TRAJKOVSKI IST TOT. ER WIRD DEN MAZEDONIERN FEHLEN
: Der Bürgerpräsident

Als „Bürgerpräsident“ bezeichnete sich Boris Trajkovski selbst schon zu Anfang seiner Amtszeit 1999. Doch damals fiel es schwer, dem Mann dies abzunehmen: Immerhin kam Trajkovski aus der nationalistischen VMRO, der Innermazedonischen Revolutionären Organisation.

In den 20er-Jahren von Serbien unterdrückt, in den 30ern zu Terroristen geworden, die den jugoslawischen König ermordeten, in der Tito-Zeit verfolgt, und im Untergrund waren die bärtigen Typen, die während der Liberalisierung Ende der Achtzigerjahre auftauchten, nicht besonders Vertrauen erweckend. Trotzdem gelang es den oft ungehobelt auftretenden VMRO-Leuten, bereits bei den ersten Wahlen 1991 die Mehrheit zu gewinnen. Erst nach dem Verlust der Macht zwei Jahre später und deren Erneuerung Mitte der 90er tauchten Männer wie Trajkovski auf, die Schluss machen wollten mit der Vergangenheit – obwohl sie sich immer noch als Nationalisten verstanden.

Trajkovski wurde erst Vizeaußenminister, dann Präsident. Und sagte das Wort vom Bürgerpräsidenten, was ihm niemand glauben wollte. Václav Havel als Vorbild? In einem Land, in dem schon die ersten Schüsse fielen? In einem kleinen Vielvölkerstaat, der 2001 immer tiefer in den Bürgerkrieg zwischen slawischen Mazedoniern und mazedonischen Albanern hineinzuschliddern schien? Trajkovski hat Wort gehalten. Als protestantischer Christ war er weder den orthodoxen Slawen noch den muslimischen Albanern verpflichtet. Er behielt den Kopf oben, damals kritisiert, ja gehasst von beiden Extremen. Und es gelang ihm, zu schaffen, was er sich vorgenommen hatte: Mit Hilfe von in den Balkankriegen geschulten internationalen Helfern, wenigen politischen Freunden und dem damaligen Führer der UÇK, Ali Ahmeti, stellte er die Weichen für den Frieden und die Integration in die internationalen Zusammenhänge. Dass er gerade an dem Tag sterben musste, an dem seine Regierung Antrag über Gespräche zur EU-Aufnahme stellte, ist schon tragisch.

Was nun in Mazedonien werden wird, ist noch nicht abzusehen. Ein Nachfolger von Trajkovskis Kaliber ist nicht in Sicht – nicht so einer, der gegen den Strom schwimmt, der sich gegen die Scharfmacher stellt. Viele Regierungsmitglieder haben in der Vergangenheit das Gegenteil gemacht, haben die nationalistische Karte gespielt, wenn sie es brauchten. Auch für persönliche Interessen. Und der Einfluss Ahmetis bei den Albanern ist fragil, auch da können sich schnell die Hitzköpfe erheben. Doch vielleicht wirkt ja Boris Trajkovskis Einfluss über seinen Tod hinaus. Vielleicht hat er nicht nur sich selbst, sondern auch die Gesellschaft verändert. ERICH RATHFELDER