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Archiv-Artikel

Nur NRW warnt vor „niederen Instinkten“

Obwohl die letzten Busentführungen glimpflich abliefen, wollen drei weitere Länder den Todesschuss einführen

FREIBURG taz ■ Immer mehr Bundesländer verankern den „finalen Rettungsschuss“ in ihren Polizeigesetzen. Nach Angaben der Deutschen Polizeigewerkschaft verfügen derzeit zwölf von sechzehn Bundesländern über explizite Regelungen für polizeiliche Todesschüsse. Es fehlen nur noch die vier Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Drei von ihnen wollen das allerdings ändern.

So kündigte Niedersachsens neuer Innenminister Uwe Schünemann (CDU) nach der Entführung eines Linienbusses in Bremen rechtliche Konsequenzen an. Zwar sei der „finale Rettungsschuss“ hier zum Glück nicht nötig gewesen, dennoch solle die niedersächsische Polizei bald mehr Rechtssicherheit erhalten. Der Koalitionsvertrag mit der FDP sieht dies im Rahmen einer großen Polizeirechtsreform ohnehin vor. Auch in Hessen hat Ministerpräsident Roland Koch (CDU) eine Regelung des finalen Rettungsschusses angekündigt. In seiner letzten Amtszeit hatte die FDP die Änderung blockiert, jetzt regiert die Union alleine. Und in Hamburg ist der Todesschuss ebenfalls Teil einer größeren Reform unter Federführung von Innensenator Ronald Schill.

Doch auch dort, wo entsprechende Paragrafen fehlen, gilt der gezielte Todesschuss nicht als verboten. Meist beruft man sich auf Formulierungen im Polizeigesetz, wonach ein Straftäter in bestimmten Fällen per Pistole „angriffs- oder fluchtunfähig“ gemacht werden darf. „Wenn ein Geiselnehmer seinem Opfer das Messer an den Hals setzt, muss ein Schuss eben tödlich sein, um den Täter angriffsunfähig zu machen“, heißt es im niedersächsischen Innenministerium.

Die Polizei lehnt solche versteckten Regelungen aber ab. „Im Rechtsstaat müssen Polizist und Bürger klar im Gesetz ersehen können, was erlaubt ist und was nicht“, erklärt Rainer Wendt, Vizechef der Polizeigewerkschaft. Er will, dass der Gesetzgeber öffentlich und eindeutig der Polizei „den Rücken stärkt“.

Nur in NRW hält man eine gesetzliche Regelung weiter für „überflüssig“. Damit würden nur die „niederen Instinkte“ bei Teilen der Öffentlichkeit befriedigt, heißt es im Düsseldorfer Innenministerium.

Tatsächlich zielt die Diskussion von beiden Seiten vor allem auf das politische Klima, denn in der Praxis spielt der Rettungsschuss – unabhängig von der Rechtslage – kaum eine Rolle. Laut Statistik der Innenministerkonferenz starben im Jahr 2001 fünf Personen durch Polizeiwaffen. Das Berliner Institut für Bürgerrechte und Polizei hat acht Tote gezählt, davon einen Polizisten, der aus Versehen von einem Kollegen getötet wurde. In keinem Fall handelte es sich um gezielte Todesschüsse auf Herz oder Kopf. Geiselnahmen wurden meist unblutig, oft sogar durch Verhandlungen beendet.

CHRISTIAN RATH

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