: Nicht verkaufsschädigend
Künstlerinnen und Kinder: Alles halb so wild, meint die Vorsitzende der Hannoveraner Gedok-Sektion
Da ist mal ein wenig Geld über und man möchte es in richtig gute Kunst investieren. Aber würde man bei einer Künstlerin einkaufen, die nachts ihren Jüngsten stillt und morgens die Älteren in die Schule bringt?
Kunst ist Image. Würde man nicht eher in Künstlerinnen investieren, die sich mittags aus den Kissen schälen, um Aspirin, Kaffee und Cognac zu frühstücken? Sind Künstlerinnen mit Kindern stigmatisiert? Wäre Nachwuchs, da verkaufsschädigend zu verschweigen? „Manche tun es“, erklärt die Vorsitzende der Gedok-Hannover, Angelina Soller, „aber das muss man nicht mehr.“ Die 1926 gegründete Gemeinschaft Deutscher und Österreichischer Künstlerinnen (Gedok) ist die größte spartenübergreifende Künstlerinnenorganisation Deutschlands. Bundesweit hat sie 4.500 Mitglieder.
Noch während ihrer Ausbildung zur Opernsängerin, so Soller, habe sie ihre drei Kinder nicht erwähnt – aus Furcht, dann weg vom Karrierefenster zu sein. Heute aber schlössen sich Kinder, Kunst und Karriere nicht mehr aus. Häufig seien Väter da, die auch mal die Betreuung übernähmen. Aber Thesen zum Thema seien „schwer zu verallgemeinern“. Beispielsweise habe eine fest angestellte Musikerin weniger Probleme, als eine freischaffende Bildhauerin. Die benötige ein ganz anderes Improvisationsvermögen, um ihre Zeit zu organisieren. Manchmal könnten sich Frauen die Doppelbelastung nur leisten, wenn die Finanzierung familiär abgesichert sei. Sonst verwandele sich die „double-“ leicht in eine „triple-bind“-Situation: Kinder, Kunst und Jobs für die Miete.
Laut Statisik haben in Niedersachsen nur zwei, in Hamburg und Bremen vier Prozent der Künstelrinnen Kinder (Vergleichszahl für Künstler: jeweils vier Prozent). Von den knapp 180 Mitgliedern der Gedok Hannover seien allerdings zwei Drittel Mütter, schätzt Soller. Aber selbst beim „Wiedereinsteigerinnen-Stammtisch“ würde nie über den Nachwuchs, immer über Kunst geredet. Soller: „Kinder gehören unverbrüchlich zu uns, haben unsere Kreativität mitgeprägt. Ich bin, was ich bin, durch das, was ich gelebt habe.“
Das heiße nicht, dass Mütter zwangsläufig anders künstlern als kinderlose Frauen. Soller: „Die Folgen sind eher in der Persönlichkeit zu entdecken.“
Richtig, wer stringent seine Karriere verfolgen möchte, lasse das meist mit den Kindern. Aber „doublebind“ sei im Grunde kein Problem. Soller: „In der Kunst erhole ich mich von der Mutterrolle – und umgekehrt. Jede Rolle fördert die Konzentration auf die andere.“
Ja, gibt es denn gar keine Diskriminierung bei der Vergabe von Ausstellungen, Kunstpreisen und Bezahlung? „Für Künstlerinnen prinzipiell ja, für Mütter im besonderen, nein.“ Oder doch? „Wir können nicht sämtliche Orte zu Kindergärten machen.“ Mit Kinderwagen zur Vernissage, das gelte bei Künstlerinnen als unschicklich. Bei Künstlern hingegen als schick: „Die neuen Männer“, so Soller, „demonstrieren gern ihre Vaterrolle.“ JFis