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Archiv-Artikel

freispruch für werner p. Richtiges Urteil, verständliche Wut

Helle Empörung über den Freispruch für den Köpenicker Rentener Werner P.! Die Verwandten des Getöteten Attila Aydin alias Maxim und seine Freunde aus der HipHop-Szene werden vermutlich nicht die einzigen Migranten in Berlin sein, die so empfinden. Große Hoffnung auf Gerechtigkeit, so war in den Tagen des Prozesses zu hören, hatte man sich ohnehin nicht gemacht. Schließlich war der Täter schon einen Monat nach der Tat wieder freigekommen. Ein Türkenleben ist in Deutschland nichts wert – das zumindest war gestern das Empfinden von Jung und Alt auf den Gerichtsfluren.

KOMMENTAR VON PLUTONIA PLARRE

Dass es solche Gefühle gibt, hat viele Gründe. Einer ist sicher auch die negative Erfahrung, die Migranten mit Polizei und Justiz machen. Der 40. Strafkammer des Landgerichts kann man Fremdenfeindlichkeit allerdings nicht vorwerfen.Was die Kritiker des Freispruchs übersehen, ist der rechtstaatliche Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Der gilt auch für einen 76-jährigen, paranoiden, möglicherweise rassistisch gesinnten Messerstecher aus der ehemaligen DDR. Das Gericht hat nicht festgestellt, dass der Mann berechtigt zugestochen hat, es hat dies aber auch nicht widerlegen können. Durchaus möglich also, dass der Angeklagte einen Totschlag begangen hat – nur konnte ihm dieser nicht nachgewiesen werden.

Bleibt das Springmesser. Wer eines mit sich herumträgt, macht sich des unbefugten Waffenbesitzes schuldig. Die Staatsanwaltschaft hatte im Vorfeld des Prozesses aber keine Anklage erhoben. Warum darf der mit einem Springmesser herumlaufen und wir nicht?, werden sich jugendliche Migranten nun zu Recht fragen, die deswegen schon zu mehrmonatiger Jugendstrafe verurteilt worden sind.

Die Justiz wäre gut beraten, das Verfahren gegen Werner P. in diesem Punkt schnellstmöglich wieder aufzunehmen. Wenn nicht, könnten Berliner Türkenkids sonst künftig mit Fug und Recht behaupten, sie hätten das Springmesser auch nur zum Apfelsinenschälen benutzt. Und der Eindruck könnte sich verfestigen, es gebe zweierlei Recht für Deutsche und Migranten.