: Wolle schützt nicht vor Armut
Benins Bauern setzen auf Baumwolle, um Geld zu verdienen. Doch verfällt der Weltmarktpreis dafür zu rasant. Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kehrt heute aus dem westafrikanischen Land zurück. Sie klagt die US-Subventionspolitik an
AUS COTONOU HAKEEM JIMO
In Benin liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei Mitte 50. Der Einstieg in die Rente beginnt für die meisten Berufe offiziell mit 60 Jahren. Das hört sich an sich schon widersprüchlich an. Für den 82-jährigen Gawe Mansa wirkt das alles vollends absurd. Seit er denken kann, arbeitet er auf dem Feld – auch jetzt noch als rüstiger Greis. Wenn es keine Arbeit auf dem Feld gibt, setzt er sich an den Webstuhl.
„Früher habe ich vor allem Mais, Hirse, Yam-Wurzeln und auch Erdnüsse angebaut“, sagt Mansa. „Erst seit sechs Jahren pflanze ich Baumwolle. Denn nur damit bekommt man bares Geld in die Hände.“ Bargeld wird immer wichtiger auch in abgelegensten ländlichen Regionen: zum Bezahlen von Schulgebühren, für Krankenhausbesuche oder Baumaterialien. Alle andere landwirtschaftlichen Produkte seien letztlich für den Eigenbedarf, womit man zwar einigermaßen gut durchs Leben komme, sagt Gawe Mansa, aber kein Geld habe, um Einkäufe zu machen.
Mit seinen drei Frauen hat er zwölf Kinder groß gezogen. Noch einmal vier Kinder haben es nicht geschafft und sind früh an Malaria, Durchfall und anderen Krankheiten gestorben. Die anderen habe mittlerweile selbst Kinder. Der Großvater zieht sie mit auf, weil es sonst keine Einnahmemöglichkeiten auf dem Dorf gibt.
Als Gawe Mansa vor sechs Jahren mit dem Baumwollanbau begann, stand der Preis pro Kilogramm noch bei umgerechnet bei rund 35 Cent. „Dann bekam ich auf einen Schlag ein Drittel weniger. Im vergangenen Jahr konnte ich kaum mehr den Kredit für Baumwollsaatgut und Pflanzenschutzmittel zurückzahlen. Nichts blieb mehr übrig. Kein Lohn. Kein Geld für Essen“, sagt der alte Mann mit dem faltigen Gesicht.
Verhandlungen der Welthandelsorganisation und Milliardensubventionen, vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch für Bauern in Spanien und Griechenland, sind für die Baumwollpflanzer in Benin weit weg. Sie halten die Probleme mit der Vermarktung der Baumwolle für hausgemacht und beschuldigen lokale Bauernverbände und Staatsbeamte, die Profite durch Steuern und Korruption zunichte zu machen.
Regina Ecker, Leiterin der Repräsentanz der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Benin, sagt: „Es gibt Prognosen, nach denen die Baumwollbauern in dieser Region bei einem totalen Einstellen der Subventionen in Amerika und Europa letztendlich auch nur 6 bis 10 Prozent mehr verdienten. Der Rest bleibt irgendwo anders hängen.“ In der Tat haben auch andere Baumwollproduzenten in der Region wie Mali und Burkina Faso agrarpolitische Probleme: staatliche Preisfestsetzung, Bürokratie, Ineffizienz bei Düngung und Pflanzenschutz.
Dennoch hat die deutsche Bundesministerin für Entwicklungszusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, während ihres dreitägigen Besuchs in Benin, die weltmarktliche Verzerrung aufgrund der Subventionen für die Misere verantwortlich gemacht. Wieczorek-Zeul gilt schon lange als Unterstützerin für eine Initiative westafrikanischer Baumwollländer gegen die massiven Subventionen in Amerika und anderswo. Dem Kabinett ist diese Richtung recht und billig. Denn in Deutschland wird keiner vor den Kopf gestoßen, und auf EU-Ebene ist die Baumwolllobby mit Spanien und Griechenland nicht stark.
Interessant ist deshalb, inwieweit sich verarmende Baumwollländer wie Benin mit politischer Schützenhilfe aus anderen Weltregionen koordinieren können, um auf Welthandelsebene die Bedingungen zu ändern.
Die Zeit drängt. Der niedrige Weltmarktpreis drückt allein in Benin 5 Prozent der Gesamtbevölkerung unter die Armutsgrenze. Auch nachgegliederte industrielle Verarbeitungen, vor allem Entkörnungsfabriken, sind betroffen. Baumwollpflanzer Gawe Mansa weiß nichts von den wirtschaftspolitischen Gerangel auf internationaler Ebene um die Baumwolle. Er sieht wie die meisten Bauern in der Baumwollregion von Benin darin noch immer seine Zukunft. Mit seinem Sohn baut er nun zwar wieder Getreide und Gemüse für den Eigenbedarf an. „Aber nur für eine Saison“, sagt er.