: Von Yoga-Lehrern und Dessous-Beratern
In Köln wird das Vorurteil widerlegt, Beamte würden nicht viel arbeiten. Sie sind sogar äußerst aktiv – außerhalb ihres Dienstes: Jeder Achte geht einer Nebentätigkeit nach. Weit mehr als bei der Stadt beschäftigte Arbeiter oder Angestellte
VON PASCAL BEUCKER UND FRANK ÜBERALL
Wer bislang geglaubt hat, im Kölner Rathaus gäbe es immer viel zu tun, der wird nun eines Besseren belehrt. Denn zumindest die dort beschäftigten Beamten scheinen keineswegs sonderlich ausgelastet zu sein. „Nebenbei“ gehen sich noch überdurchschnittlich häufig anderen Jobs nach. Wie die taz erfuhr, hat immerhin jeder achte Kölner Staatsdiener noch zusätzlich eine genehmigte Tätigkeit außerhalb seines Dienstes. Zum Vergleich: Bei den Angestellten ist es nur jeder 15. und bei den Arbeitern sogar nur jeder 23. Erwerbstätige.
Dabei ist das Sammelsurium verschiedener „Freizeitbeschäftigungen“ der kölschen Beamten ziemlich beeindruckend: Wer tagsüber bei der Stadt in der Amtsstube sitzt, ist danach zum Beispiel als Taxifahrer, Fußballtrainer oder Tupperware-Berater anzutreffen. Andere treten als kostümiertes Maskottchen auf oder nehmen Wetten auf der Rennbahn an. Von der Aushilfe im Sonnenstudio über bis hin zu Fleischereifachverkäufern reicht das Spektrum. Aushilfsfahrer, Lagerarbeiter, orientalische Tänzer, Yoga-Lehrer, Organisten, Chorleiter, Wachleute und sogar Dessous-Berater findet man unter den Hinzuverdienern ebenfalls. Freilich gehören zu den Nebenjobs auch solche, die Pflicht sind, wie Testamentsvollstreckungen oder die gerichtlich angeordnete Betreuung von Angehörigen.
Ein großes Problem sieht die Stadtverwaltung inzwischen in der bisherigen Genehmigungspraxis. Nebentätigkeiten von Beamten müssen grundsätzlich auch bei der Kölner Stadtverwaltung genehmigt werden. Die Mitarbeiter gingen damit aber offenbar recht großzügig um. Zum Teil wurden die Jobs längst gemacht und erst nachträglich um Erlaubnis gebeten. Trotzdem gab es unbekümmert Persilscheine von den Vorgesetzten.
Gerade bei Beamten ist das ausschweifende Nebenverdienen indes kaum verständlich. Denn für ihre Bezahlung gilt das „Alimentationsprinzip“. Das besagt, dass der Beamte kein Gehalt, sondern einen „Unterhalt“ vom Staat bekommt, damit er sich „mit seiner ganzen Kraft“ dem Staatsdienst zur Verfügung stellen kann. Konkret bedeutet das auch, dass sein Einkommen so gestaltet sein muss, dass der Beamte davon seine Lebensführung bestreiten kann. Ein Hinzuverdienst schließt das Alimentationsprinzip eigentlich von seiner Idee her aus.
Die Praxis sieht jedoch nicht nur in Köln anders aus. Dabei gehen manche Genehmigungen sogar noch unmittelbar auf Kosten der Stadt. Zum Beispiel durfte der Mitarbeiter eines Kölner Museums nebenher Gemälde und Skulpturen restaurieren. Für seine Tätigkeit nach Dienstschluss nutzte der Mitarbeiter Material der Stadt. Weil das wohl nicht verrechnet wurde, soll er die kommunale Kasse geschädigt haben, die die Utensilien zahlen mußte. Besonders dreist: Wenn er keine Ausgaben für Material hatte, konnte er seine Dienste als Restaurator auf dem freien Markt viel billiger anbieten als seine hauptberuflichen Kollegen. Ausgerechnet als alimentierter Staatsdiener betrieb er damit Preisdumping.
ZUM WEITERLESEN: Von den beiden Autoren ist gerade im Campus Verlag das Buch „Die Beamtenrepublik. Der Staat im Würgegriff seiner Diener?“ erschienen (276 Seiten, 21,90 Euro).