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: Auf zu neuem Versuchsfeld

Von Beust hat es geschafft. Gut für ihn, schlecht für die Strategie der CDU/CSU, von Hamburg aus ein stabiles schwarz-gelbes Bündnis zu initiieren. Der Plan der christdemokratischen Führung ähnelte einem geschickten Billardstoß. Vom Hamburger Wahlergebnis angetrieben, sollte unter Beihilfe der gelben die schwarze Kugel CDU über die Bundespräsidentenwahl und diverse Landtagswahlen schließlich sicher ins Körbchen rollen: die Bundestagswahl 2006.

Überlegungen in diese Richtung hatte Edmund Stoiber, wahrhaftig kein Seelenverwandter der Liberalen, vor Tagen angestoßen. Die FDP reagierte enthusiastisch. Keine liberale Koalitionsaussage vor Wahlen, eigenständige Positionen? Schnee von gestern. In Hamburg begnügte sich die FDP damit, auf ihren Plakaten Ole zu Olé zu dynamisieren und sich als Junior zu empfehlen.

Ein schöner Plan, doch die Verhältnisse, sie waren nicht so. Ole von Beust hat es verstanden, sich als Fleisch gewordene hanseatische Liberalität zu gerieren, und dies trotz seiner Mesalliance mit dem gänzlich unhanseatischen Gewalttäter Schill. So blieb kein Raum für christdemokratische Leihstimmen an die FDP. Und aus eigener Kraft konnten es die Liberalen, denen es in Hamburg an einer getreuen Honoratioren-Klientel ebenso gebricht wie am Milieu adretter Jungunternehmer, nicht schaffen.

Jetzt bleibt die FDP draußen und Schill wurde erwartungsgemäß abgestraft. Das auf den Wahlplakaten gewählte Edel-Orange von Beusts triumphiert über Rot-Grün oder besser Grün-Rot, nach den jetzigen Kräfteverhältnissen. Hamburgs Sozialdemokraten hatten sich redlich bemüht, den Wahlkampf mit landespolitischen Themen zu bestreiten. Aus gutem Grund misstrauen sie dem „Münte-Effekt“, der sozialdemokratisches Wir-Gefühl verbreiten und der Partei verlorene ArbeiterInnenstimmen zurückgewinnen sollte. Aber den Hamburger Wählern war das Image von Beusts wichtiger als die sozialen Versprechungen von Rot-Grün, deren Realitätsgehalt überdies als gering eingeschätzt wird.

Für von Beust ist das ein schönes Gefühl als Gesamt-Hanseat, der zwar nichts ausrichten, aber dem Bedürfnis nach Identifikation Genüge tun wird. Die CDU/CSU-Strategen hingegen werden sich einem neuen Versuchsfeld zuwenden: der Wahl des neuen Bundespräsidenten. Mit Wolfgang Schäuble könnte der schwarz-gelbe Stapellauf klappen. Ob das gut für das Amt wäre, steht allerdings auf einem anderen Blatt. CHRISTIAN SEMLER