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Archiv-Artikel

Revierstädte bleiben offen für Autofahrer

Der Vorschlag des grünen Verkehrsexperten Schmidt, eine City-Maut in Großstädten zu erheben, stößt im Revier auf Skepsis. Kritiker befürchten Ausbluten der Innenstädte. NRW-Grüne: „Thema passt nicht in die politische Landschaft“

RUHR taz ■ In den Revierstädten darf man auch in Zukunft umsonst mit dem Auto fahren. Über Parteigrenzen wenden sich Ruhrpolitiker gegen den Vorschlag des grünen Verkehrsexperten im Bundestag, Albert Schmidt, in Großstädten eine so genannte „City-Maut“ einzuführen. Eine solche Gebühr, wie es sie bereits in London und Oslo gibt, soll den Verkehr in den Innenstädten reduzieren. Mit den Einnahmen könnten die Kommunen den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ausbauen und Büchereien oder Schwimmbäder erhalten, sagt Schmidt.

Im PS-Paradies Ruhrgebiet kann man es sich nur schwer vorstellen, dem Londoner Vorbild zu folgen, wo Autofahrern immerhin sieben Euro „Verstopfungsgebühr“ pro Tag abgeknöpft werden. „Wir haben hier nicht dasselbe Stau- oder Parkplatzproblem wie in London“, sagt der Bochumer SPD-Fraktionssprecher Karsten Ortmann. „Eine City-Maut ist hier kein Thema.“ Ähnlich auch die CDU: „Bevor nicht das viel weniger anspruchsvolle System der LKW-Maut funktioniert, macht die Diskussion keinen Sinn,“ sagt Norbert Lammert, Bezirksvorsitzender der Ruhr-CDU. Prinzipiell kann er sich eine Maut zwar auch in Städten vorstellen – allerdings nur als Ersatz für die Kfz- und Mineralölsteuer.

Selbst die Grünen rechnen nicht damit, dass die Vorschläge ihres Berliner Kollegen Schmidt im Ruhrgebiet umgesetzt werden können. „Die Diskussion ist für uns sehr weit weg“, sagt Doris Janicki, grüne Bürgermeisterin in Duisburg. „Wir müssen hier um eine dusselige Fahrradstation und ein paar Radwege kämpfen, wie sollen wir da so etwas durchsetzen?“ Positiver reagiert die Essener Grüne Hiltrud Schmutzler-Jäger: „Mit einer Maut würde endlich das Verursacherprinzip wirksam.“ Sinn mache dies vor allem mit Blick auf das neue Bundesemissionsschutzgesetz, nach dem Kommunen ihre Schadstoffbelastung ab dem Jahr 2005 weiter reduzieren müssen.

Kritik an der City-Maut kommt vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Nordrhein-Westfalen: „Es besteht die Gefahr, dass die Innenstädte weiter ausbluten“, sagt Verkehrsexperte Werner Reh. „Das nützt nur den Riesendiscountern auf der grünen Wiese.“ Außerdem sei es schwierig, den ÖPNV so zu stärken, dass er auch die Außenbezirke anbinde. Im Gegenteil hätten die Beispiele im Ausland gezeigt, dass das Geld aus der City-Maut meist für den Bau neuer Straßen ausgegeben worden sei. „Als Instrument zur Verkehrssteuerung ist die Maut zu unsicher“, findet Reh. Mit Parkgebühren könne man den Verkehr gezielter regulieren, auch Jobtickets für Bus und Bahn müssten als Alternative zu neuen Parkplätzen gefördert werden.

Schlechte Karten also für die City-Maut. Zumal es die Grünen der Region ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl auch taktisch nicht für opportun halten, das Projekt voranzutreiben. Oliver Keymis, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, drückt die Zurückhaltung seiner Partei so aus: „Das passt politisch im Moment nicht in die Landschaft.“ Oder deutlicher: „Wie soll man den Leuten bei all dem Ärger über die LKW-Maut erklären, dass sie jetzt auch noch eine Extra-Maut in Bochum zahlen müssen?“ KLAUS JANSEN