: „Alle Träume haben etwas Unsicheres“
Dirk Rüger und Marta Alonso geben die erste rein spanischsprachige Zeitung Berlins heraus: „luz verde“. Sie hoffen auf 30.000 LeserInnen
INTERVIEW CHRISTIAN FÜLLER UND CLAUDIUS PRÖSSER
Ihr macht eine Zeitschrift für die kleine lateinamerikanische Gemeinde Berlins und verteilt sie gratis. Ganz schön mutig.
Dirk Rüger: So wenige Iberoamerikaner gibt es hier gar nicht. Wir rechnen mit 30.000 potenziellen LeserInnen in Berlin.
Preisfrage: Welches sind die größten spanischsprachigen Gruppen in Berlin?
Marta Alonso: Peru und Chile haben eine große Community. Kolumbien auch, jetzt kommen viele Argentinier dazu.
Die amtliche Reihenfolge sieht so aus: Die größte Gruppe stellen die Kubaner, rund 1.200 Leute. Dann kommen die Peruaner, dann die Kolumbianer …
Marta Alonso: Sie wissen doch, die Statistik! Viele Latinos haben die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Andere haben europäische Pässe. Die tauchen in der Statistik nicht auf. Es ist schwer, zu ermitteln, wie viele „wir“ sind.
Was ist die Botschaft von luz verde?
Dirk Rüger: Wir sind keine Missionare. Wir wollen die spanische Sprache „zelebrieren“, das heißt den Leuten den Gefallen tun, ihnen ein Blatt in ihrer Muttersprache anzubieten. Ansonsten orientieren wir uns am Angebot ganz normaler Zeitungen – Wirtschaft, Politik, Kultur, Sport usw.
Marta Alonso: Unsere Zeitung soll spanischen Muttersprachlern Spaß machen und soll sie informieren – über Deutschland, über Berlin. Wir schreiben nicht über Lateinamerika, auch nicht über Spanien oder Portugal. Wir suchen die Themen danach aus, ob sie für Migranten interessant sind oder auch für Leute, die schon seit 20 Jahren hier leben.
Wie kommt man auf so eine Idee? Weil man die Welt verändern will oder weil man geschäftliche Interessen hat?
Dirk Rüger: Wir kennen uns in der Latino-Community ganz gut aus. Eine sehr aktive, lebendige Szene – die etwas vermisst: ein Medium, das die hier lebenden Leute anspricht. Es gibt viel für Deutsche, die an Lateinamerika interessiert sind – aber nichts für spanischsprachige Berliner.
Gibt es dort für politisch-kulturelle Nachrichten auf Spanisch ein Bedürfnis, ja?
Dirk Rüger: Nehmen Sie mal ein Lehrbuch aus dem Deutschunterricht: Wie schön einfach geht es da zu! Aber wenn die Leute zum Sozialamt gehen oder einen Einbürgerungsantrag stellen wollen, sieht es schon ganz anders aus. Was dann verhandelt wird, das verstehen noch nicht einmal Deutsche.
Schlechte Erfahrungen gemacht?
Ich habe selber Orientierungskurse für Ausländer geleitet. Die Menschen sind angewiesen darauf, dass ihnen jemand hilft, das Problem zu verstehen, mit dem sie sich seit einem halben Jahr herumschlagen. Das ist Teil unserer publizistischen Idee: Informationen auf einem Gebiet zu liefern, wo sie dringend gebraucht werden. Wir erklären zum Beispiel, warum jetzt 10 Euro in der Praxis fällig werden. Aber keine Sorge, wir nehmen keinen Berliner Hispano an die Hand, um ihn zum Sozialamt zu führen.
Bei den Illegalen ist das Bedürfnis nach Informationen in ihrer Muttersprache wohl am größten. Nur – wie bringt man die Zeitschrift in diese Szene?
Marta Alonso: Es gibt in Berlin viele Institutionen, die sich um die Belange von Menschen in Notsituationen kümmern, da existiert ein ganzes Netzwerk. Dort kann die Zeitung Hilfestellung leisten.
Um euch herum sprießen gerade Selfmade- und Hochglanzmagazine aus dem Berliner Boden. Da stehen zum Teil erfahrene Journalisten dahinter. Was ist euer Background?
Marta Alonso: Ich habe in Argentinien in verschiedenen Zeitschriftenredaktionen gearbeitet. Ich habe auch Beiträge für zweisprachige Publikationen hier in Deutschland geschrieben.
In der ersten Ausgabe haben wir rund 15 Leute gezählt, die für euch schreiben. Wie lange wird euch dieses Team mit Texten beliefern – ohne Honorar dafür zu erwarten?
Marta Alonso: Wir sind dankbar für einen professionellen Unterstützerkreis, der sich für das Ziel der Zeitung engagiert. Aber wir hoffen natürlich, unseren Autoren bald ein echtes Angebot machen zu können.
Hm.
Marta Alonso: Das Projekt ist auch ein Traum. Und alle Träume haben etwas Unsicheres. Und etwas sehr Schönes.