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Archiv-Artikel

Justitia muss noch warten

Am ersten von 17 Prozesstagen schweigen die Ex-Aubis-Manager Christian Neuling und Klaus Wienhold. Die Anklage wirft ihnen vor, die BerlinHyp um 800.000 Euro betrogen zu haben

VON STEFAN ALBERTI

Jetzt sitzen sie also endlich. Nicht im Knast, wo viele sie hinwünschen. Wo sie schon waren, in U-Haft. Aber immerhin hocken Christian Neuling und Klaus Wienhold auf der Anklagebank des Landgerichts. Zwei Jahre alt ist die Betrugsklage der Staatsanwaltschaft – ältere Verfahren hätten Vorrang gehabt, heißt es. Als erster großer Strafprozess zum Bankenskandal gilt das Verfahren. Tatsächlich aber ist die landeseigene Bankgesellschaft hier selbst die Geschädigte, ist der Sachverhalt fast nebensächlich.

Interessant sind allein Wieland und Neuling, Ex-Manager der Immobilienfirma Aubis. Denn über ihre 40.000-Mark-Spende stürzte 2001 die CDU, wurde das Bankdesaster offenbar.

Der Verhandlungsraum 700 im Moabiter Gerichtsgebäude hört an diesem Dienstag die Geschichte von zwei Männern, die offenbar nicht genug bekommen konnten. Suum cuique, jedem das Seine, steht an der stuckverzierten Decke. Wienhold und Neuling aber, glaubt man der Staatsanwaltschaft, wollten ein gutes Stück mehr. Betrug und versuchten Betrug an der BerlinHyp werfen ihnen die Ermittler vor.

Über Jahre hatte die Bank, Tochter der Bankgesellschaft, der Aubis-Firmengruppe von Neuling und Wienhold immer willig neue Kredite gegeben. 570 Millionen Mark sollen es bis zur Jahreswende 1999/2000 gewesen sein. Damit kauften die beiden im Osten tausende Plattenbauten. Dummerweise kam zu wenig Geld wieder rein. Die BerlinHyp fürchtete um ihre Kredite, übernahm über Tochterfirmen Aubis-Wohnungen und laufende Verträge. Darunter auch einen mit einem Energiezwischenhändler namens Elpag.

Laut Staatsanwaltschaft aber verschwiegen Neuling und Wienhold den BerlinHyp-Leuten, dass sie hinter der Elpag steckten und an überteuerten Fernwärmelieferungen verdienten. Wäre das der BerlinHyp bekannt gewesen, so hätte sich die Bank nicht mit „unwirtschaftlichen Verträgen, von denen die Angeklagten profitierten, belastet“.

Um 800.000 Euro sollen Neuling und Wienhold die BerlinHyp zwischen Januar und Oktober 2000 geschädigt haben. Hochgerechnet auf 15 Jahre Laufzeit wären das sogar über 15 Millionen gewesen. Am ersten Gerichtstag äußern sich beide nicht, kündigen aber Aussagen für die nächsten Prozesstage an. Beide machen keinen beunruhigten Eindruck, als die Vorwürfe verlesen werden. Da gibt es kein nervöses Kopfzucken oder Rumspielen mit dem Kugelschreiber zu beobachten. In dunklen Anzügen mit dezenten Krawatten sitzen beide im Saal, kein Vergleich mit dem grellen Outfit auf einem früheren Wienhold-Foto.

Es ist gut, in Erinnerung zu rufen, aus welcher politischen Ecke beide kommen. Neuling und Wienhold waren vor ihrer Aubis-Zeit mehr als jene schlichten „CDU-Funktionäre“, als die sie oft in der Berichterstattung auftauchen. An entscheidender Stelle haben sie in den 80ern und 90ern Bundes- und Landespolitik gemacht: Neuling saß acht Jahre im Abgeordnetenhaus, war Vize-Chef der CDU-Fraktion und später Vorsitzender des Treuhandausschusses im Bundestag, dem er von 1987 bis 1994 angehörte.

Wienhold, gelernter Polizist, saß bis 1995 sogar zehn Jahre im Abgeordnetenhaus, war ebenfalls Fraktionsvize, zudem sechs Jahre Landesgeschäftsführer der damals schier omnipotenten Berliner CDU. Und nochmals als Gedächtnisstütze: Langjähriger Abgeordnetenkollege der beiden und ab 1990 Fraktionschef war Klaus Landowsky, zugleich Chef der BerlinHyp und ihrer Vorgängerin.

Der angekündigte große Zuschauerandrang bleibt aus. Gut ein Dutzend Mitglieder der Bürgerinitiative Bankenskandal demonstriert am Eingang des Gerichts, doch im Saal bleiben viele Sitze frei. Stattdessen drängen sich die Medien. Initiativenvertreter Benedict Ugarte-Chacon erwartet sich von dem Prozess wenig zur Aufklärung der Bankaffäre – „hier hat nur eine Krähe der anderen Geld weggehackt“. Aber Wieland und Neuling seien Schlüsselfiguren des Berliner Filzes, und das bringe ihn her.

17 Verhandlungstage sind bis zum 27. Mai angesetzt. Die würden nicht ausreichen, heißt es. Schon gestern zog sich die Verhandlung wegen zahlreicher Unterbrechungen im Saal. An dessen Decke steht neben suum cuique noch etwas: fiat justitia, Recht soll geschehen. Wie wahr.