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Archiv-Artikel

ORB plus WDR gleich RBB

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hat jetzt eine Intendantin, vier DirektorInnen und vier Monate Stellenstopp. Die neuen Chefs kommen von ORB und WDR. Und im Winter das neue TV-Programm

aus Potsdam RAINER BRAUN

Der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) nimmt Konturen an. Vier Tage nach ihrem Amtsantritt am 1. Mai hat die Intendantin Dagmar Reim am Montagabend in Potsdam erwartungsgemäß auch die Zustimmung für ihre Vorschläge für die zweitmächtigste Senderebene, das Direktorium, erhalten.

Zugleich verkündete die Senderchefin einen viermonatigen Einstellungsstopp – und will bei der aus dem Sender Freies Berlin (SFB) und dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) fusionierten ARD-Anstalt weiter aufs Tempo drücken. Spätestens zum Jahresende soll aus den bislang getrennten zwei „dritten“ TV-Programmen ein gemeinsames Regionalfernsehen werden.

Das gestern präsentierte Gruppenbild mit Dame (siehe Kasten) kommt zur Hälfte vom ORB und zur anderen Hälfte vom WDR in Köln, der schon beim Aufbau des ORB ab 1991 Pate stand. Auch wenn mancherorts – vor allem in Berlin – Skepsis herrschte, weil das neue Direktorenquartett ganz ohne bisherige SFB-Kräfte auskommt, hält sich die Opposition im RBB-Rundfunkrat in Grenzen. Denn der neue Betriebsdirektor Nawid Goudarzi und die Hörfunkchefin Hannelore Steer sind bekannte Größen, weil sie ebendiese Positionen bereits beim ORB innehatten. Und dann dürfte sich auch beim SFB die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass die Mehrzahl der bisherigen Führungskräfte kaum für eine weitere Aufgabe im neuen Sender in Frage kam. Aus Altersgründen wie SFB-Hörfunkdirektor Jens Wendland oder mangels Fortune wie Fernsehchefin Barbara Groth. Trösten kann sich die SFB-Fraktion voraussichtlich auch damit, dass die bisherige SFB-Chefredakteurin Petra Lidschreiber dem RBB in gleicher Funktion erhalten bleiben dürfte. Denn der neue Fernsehdirektor Gabriel Heim kommt wie die Frontfrau von „Kontraste“ vom WDR und wird auf ihren Sachverstand vor Ort kaum verzichten wollen.

Komplettiert wird die RBB-Geschäftsleitung durch Hagen Brandstäter, der bislang beim WDR die Programmwirtschaft verantwortet und die ARD-ZDF-Arbeitsgruppe „Produktionswirtschaft Fernsehen“ leitet, die sich mit Fragen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschäftigt.

Das auf fünf Jahre gewählte Direktorium tritt mit Ausnahme von Brandstäter (der erst im Juni kann) noch im Mai zum Dienst an – und die nächsten Ziele sind schon gesteckt: Im schon zu ORB-SFB-Zeiten weitgehend gemeinsam bestrittenen Hörfunk will Dagmar Reim zügig eine gemeinsame Kulturwelle aus den bisherigen Wellen Radio 3 und Radio Kultur auflegen, die „nicht auf Quotenjagd gehen“, aber auch nicht – wie die beiden bisherigen Angebote – „weitgehend hörerfrei“ bleiben soll.

Bis zum Spätherbst soll es auch einen Stellenplan geben, wenn Bilanz über die finanzielle Situation der Fusionsanstalt gezogen ist. Denn das Hoffen auf eine Verlängerung des Gebührenfinanzausgleichs, bei dem die „reichen“ großen ARD-Anstalten ihre „ärmeren“ kleinen Geschwister alimentieren und von dem bislang der SFB (nicht aber der ORB) profitierte, hält die Intendantin für illusionär.

So ist für Reim denn auch klar, dass der Sender vor allem finanziell auf eigenen Füßen stehen muss. Und das wird ohne Stellenabbau nicht möglich sein. Ob allein der (sozialverträgliche) Abbau von Doppelstrukturen – interne Studien gehen von rund 300 Stellen aus – zum gewünschten Ziel führt, bleibt vorerst genauso offen wie der Wunsch der Personalräte, eine Angleichung der bisherigen ORB-Tarife auf SFB-Niveau zu erreichen. Ab Freitag wird verhandelt

Ungeachtet der sich abzeichnenden Einsparungen sieht die Intendantin in Berlin und Potsdam bei der Belegschaft eine „große Aufbruchstimmung auf einem schwierigen Weg“. Zwar sei das Sparen kein Selbstzweck, sondern diene ausschließlich dem Programmauftrag, strukturelle Veränderungen seien deshalb geboten. Denn andererseits gäbe es in der Gesellschaft „kein Verständnis für die abstruse Vorstellung“, dass es „gerade bei uns so bleiben würde, wie es war“.

Dagmar Reim sagt solche Sätze nicht ohne Charme, aber stets mit Nachdruck – Zweifel daran, dass sie ihre Vorstellungen resolut umsetzen wird, kommen da keine auf.