: Altötting droht der Tanz der Teufel
Dem Wallfahrtsort in Bayern steht sein erster Christopher Street Day bevor. Entsetzte Bürger sammeln sich zum Gebet
MÜNCHEN taz ■ Es ist sicherlich keinesfalls richtig, die Kleinstadt Altötting, 12.572 Einwohner, 90 Kilometer östlich von München, als erzkonservativen Wallfahrtsort zu beschreiben. Der katholische Stadtpfarrer Günther Mandl hat in diesen Tagen sogar einen ganz neuen Begriff geprägt – der da lautet: „religious correctness“. Damit keine Zweifel aufkommen, hat Mandl auch gleich dazu geschrieben, was mit der neuen „correctness“ keinesfalls zu vereinbaren sei: etwa ein bunter Umzug von Lesben und Schwulen in seinem Heimatort.
Genau das plant aber der Thomas Grahammer, Kreisvorsitzender der Grünen in Altötting. Am 3. Juli will er den ersten Christopher Street Day im Marienwallfahrtsort veranstalten, „um den Menschen in Bayern und in der Welt zeigen, dass Altötting auch andere Gesichter zu bieten hat als die Wallfahrtskirche, dass sie eine freie Stadt mit weltoffenen, aufgeklärten Bürgern ist“. Das klingt gut, allerdings werfen die Reaktionen, die Grahammer mit seiner Ankündigung ausgelöst hat, ein etwas anderes Licht auf die Stadt. Pfarrer Mandl ist da noch einer der gemäßigteren Kritiker. „Es gibt Dinge, die tut man einfach nicht“, ließ er verlauten, und „dieses Spektakel gehört sicher dazu.“
Sein Dienstherr dagegen, der Passauer Bischof Wilhelm Schraml, sieht in der geplanten Homosexuellen-Parade eine „ungeheure Provokation“ und „Verhöhnung des Glaubens“. Ein Bistumssprecher versuchte, Grahammer mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und appellierte an den Veranstalter, die eingeforderte Toleranz auch gegenüber den Wallfahrern und den Bürgern von Altötting zu zeigen. Soll heißen: Ein Häuflein lustig angezogener Lesben und Schwulen auf der Straße ist der Bevölkerung einfach nicht zuzumuten. Da könnte was dran sein, zumindest, wenn es sich um jene Bürger Altöttings handelt, die in Leserbriefen an die Lokalzeitungen satanistische Umtriebe hinter dem Christopher Stret Day vermuten und „Gegenbetstunden“ ankündigten.
Etwas weniger dramatisch sieht der evangelische Pfarrer Werner Thiessen die Lage auf Altöttings Straßen, allerdings hält er es für sinnvoller, „statt einer Demonstration das Gespräch zu suchen“. Sein katholischer Kollege Günther Mandl hält Grahammer schlicht für geltungssüchtig: „Es bleibt der Beigeschmack, dass sich hier jemand auf Kosten vieler anderer profilieren will.“ Doch der Veranstalter bleibt hart. „Es geht nicht darum, die Kirche zu provozieren“, sagt Grahammer, „wir wollen mal zeigen, dass es uns nicht nur in der Stadt, sondern auch hier auf dem Land gibt.“ Dazu hat Grahammer auch prominenten Beistand eingeladen. Die frühere Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hat bereits ebenso ihre Teilnahme zugesagt wie der Münchner SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Berg. Vielleicht kommt auch Udo Lindenberg.
Offen ist momentan vor allem die Frage, unter welchen Auflagen die Stadt den ersten Altöttinger Christopher Street Day genehmigen wird. Bürgermeister Herbert Hofauer (Freie Wähler) hat bereits entnervt zu verstehen gegeben, „dass wir uns um diese Veranstaltung nicht beworben haben“ – jetzt laufen die Verhandlungen mit Thomas Grahammer. JÖRG SCHALLENBERG