Männer ziehen immer Männer nach

Bei einer „Frauentagung“ entdecken die Rektoren die Hindernisse für Frauen in der Wissenschaft: den Konflikt „Kind oder Karriere“. Und das Gefühl von Frauen, mehr leisten zu müssen, um Promotion oder Position zu erringen

DRESDEN taz ■ Im Senat der Technischen Universität Dresden fühlt sich Monika Medick-Krakau als Frau recht einsam. Als Prorektorin für Bildung stellt die Politikprofessorin die große Ausnahme dar. Auch eine Fachbereichsleiterin sucht man bislang an der TU vergeblich.

Die Verhältnisse in der Stadt, deren Universität gerade Gastgeberin des „Frauentages“ der Hochschulrektorenkonferenz war, sind symptomatisch für die Republik. Junge Frauen stellen noch die Mehrheit der Abiturienten und immerhin noch ein Drittel der Promovierenden. Auch Monika Medick-Krakau fühlte sich zunächst keinesfalls behindert, profitierte von der Bildungsexpansion und dem Stellenüberangebot der Siebzigerjahre. Doch die Wahrscheinlichkeit, zur Professorin berufen zu werden, sinkt in Deutschland auf knapp 11 Prozent. Gar nur jede zwanzigste Hochschule wird von einer Frau geleitet. Frauenförderplänen, Wiedereingliederungsprogrammen und Gleichstellungsbeauftragten zum Trotz stagnieren diese Zahlen seit einem Jahrzehnt wieder.

In der industriellen Forschung sieht es nicht anders aus. Auch hier drückt Deutschland mit einem Anteil von 9,6 Prozent Frauen den EU-Durchschnitt auf 15 Prozent. Frankreich mit immerhin 20,6 Prozent und knapp dahinter Spanien setzen in Europa die Maßstäbe. Helga Rübsamen-Waigmann vom Bayer-Forschungszentrum brachte den absehbaren Fachkräftemangel ins Spiel. „Die Industrie selektiert wenig optimal aus dem Angebot.“ Wegen des Wettbewerbsdrucks fällt in der Wissenschaft die Männerdominanz noch erdrückender aus als in Wirtschaft und Politik.

Viele Akademikerinnen bleiben kinderlos

40 Prozent der Akademikerinnen bleiben kinderlos. Der klassische Kinder-oder-Karriere-Konflikt ist die eine, objektive Seite des Problems. In diese Richtung zielen die Vorschläge des scheidenden Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz Klaus Landfried. Bessere Kinderbetreuung an den Hochschulen und Lebensarbeitszeitkonten, die „Patchwork-Karrieren“ und nicht nur die männliche „Normallaufbahn“ ermöglichen.

Bei der Laufbahnplanung setzt auch die Dresdnerin Prorektorin Medick-Krakau an. Altersschranken im Beamtenrecht behinderten direkt die frühe Einlösung des Kinderwunsches. Promotions- und Habilitationsverfahren seien in Deutschland besonders langwierig und unberechenbar, ein Hindernis wiederum für die biologisch spätestmögliche Einlösung des Kinderwunsches. Die von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) auch in Dresden wieder eifrig gelobte Junior-Professur sei ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn nach sechs Jahren wieder Unsicherheit und keine unbefristete Stelle folge. Hier steigt der Frauenanteil immerhin auf 25 Prozent.

Über die Familienfrage hinaus wirkt aber noch ein anderer mentaler Teufelskreis, der nur mit einem Kraftakt durchbrochen werden kann. „Von einem kritischen Anteil ab etwa 30 Prozent Frauen ist Gleichstellung ein Selbstläufer und kein Problem mehr“, weiß die Dresdner Prorektorin. Oder wie Rita Schmutzler von der Uniklinik Köln unter starkem Beifall ausrief: „Frauen haben nicht wegen der Kinder, sondern trotz weniger Kinder schlechtere Karrieremöglichkeiten!“ Männer ziehen eben immer wieder Männer nach. Frauen fühlen sich signifikant weniger von ihren Vorgesetzten gefördert und müssen für eine erfolgreiche Bewerbung einen höheren Aufwand etwa an Publikationen betreiben als ihre männlichen Kollegen. Deshalb resignieren viele begabte Frauen zu früh. Vernetzung und Frauencourage kann dieser subjektiven Ursache abhelfen. Denn in den Köpfen vieler Männer scheint immer noch die – auch in Dresden diskutierte – These des Nervenarztes Paul Möbius zu spuken, der sich vor mehr als 100 Jahren „über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ ausließ. MICHAEL BARTSCH