: Kieler Diät macht Simonis zu schaffen
Die Regierungschefin hat die unappetitliche Anhebung der Parlamentsdiäten in Schleswig-Holstein zu lange verteidigt
KIEL taz ■ Die Hauptverliererin dürfte die Regierungschefin selbst sein: Heide Simonis (SPD) hat in der Kieler Diätenaffäre ein weiteres Stück Renommee eingebüßt. Die Ministerpräsidentin steht wegen eines Filz-Untersuchungsausschusses ohnehin unter Beschuss. Nun ist es nur eine Frage der Zeit, wann sich der politische Grimm gegen die einst Unantastbare richtet.
Heide Simonis hat den schweren Fehler begangen, die nun zurückgenommene Erhöhung der Abgeordnetengehälter in Schleswig-Holstein durch eine große Koalition von SPD und CDU zu lange verteidigt zu haben. Erst nachdem der Druck von der Basis ihrer Nord-SPD immer stärker wurde, ruderte Simonis zurück. Sie war nun dafür, die Diäten erst nach 2005 zu erhöhen.
Bild schonte die Ministerpräsidentin gestern noch. Stattdessen erging sich das Millionenblatt in dem Selbstlob, den Kurswechsel in Kiel erst erreicht zu haben: „BILD stoppt die Diäten-Abzocker“, titelte das Blatt.
Womöglich hatte es damit gar nicht Unrecht. Es war wohl eher der öffentliche Druck als innere Einsicht, die die Fraktionsführungen von SPD und CDU im Landtag am Montagabend dazu brachten, ihre umstrittene Diätenerhöhung zurückzunehmen. CDU und SPD wollten sich ihre Abgeordnetengehälter von bisher 3.900 auf künftig 5.700 Euro erhöhen. Im Gegenzug sollten die bisher gezahlten Zulagen für die Fraktionsvorstände wegfallen – dies sollte aber erst nach Wahl des Landtages 2005 geschehen. Die Erhöhung dagegen sollte zum 1. Juli wirksam werden.
Die beiden großen Parteien hatten anfänglich sogar geplant, für ihren Gehahltszuwachs neue Kredite aufzunehmen – ein Affront in einem Land, das am Rand der Pleite steht. Nach öffentlichen Protesten hatte man davon jedoch schon rasch wieder Abstand genommen. Die kleinen Fraktionen im Landtag, FDP, Grüne und Südschleswigscher Wählerverband SSW, hatten den Zuschlag von Beginn an abgelehnt.
FDP-Chef Guido Westerwelle und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber schlachteten die Affäre weidlich aus. Sie wandten sich via Bild gegen die „Selbstbedienungsmentalität in Kiel“. Auch die Bundes-SPD machte auf die Kieler Genossen Druck. Das Signal einer saftigen Erhöhung von Abgeordnetengehältern konnte die Parteispitze um den Bundeskanzler in ihrem parteiinternen Streit um Sozialabbau zurzeit überhaupt nicht gebrauchen. Als dann noch die SPD-Kreischefs in Schleswig-Holstein damit drohten, die Abgeordneten bei der Listenaufstellung für die kommende Landtagswahl abzustrafen, und auch der Stoiber-Vertraute, CDU-Landeschef Peter Harry Carstensen sich gegen die Erhöhung aussprach, lenkten beide Fraktionen ein. Man werde „die bisherigen Pläne wohl nicht weiterverfolgen“, verkündete CDU-Fraktionschef Martin Kayenburg kleinlaut.
Gestern berieten die Fraktionen von CDU und SPD darüber, wie es nun weitergehen könne: Der Landtag muss das bereits beschlossene Gesetz wieder rückgängig machen, die Fraktionschefs Kayenburg und SPD-Pendant Lothar Hay gelten politisch als angeschlagen. PETER AHRENS
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