: Mit dem Rucksack Deutsch Lernen
Ein Sprachförderprogramm geht neue Wege. Eltern, Kinder und Erzieher arbeiten gemeinsam am Erfolg. Landesweit gibt es bereits 136 Rucksack-Gruppen.
ESSEN taz ■ Mustafa ist sechs Jahre alt und redet viel - allerdings nur in seiner Muttersprache Türkisch. Wenn er im Sommer in die Schule kommt, wird es für ihn schwer, mitzuhalten. Denn dazu muss er erstmal Deutsch lernen. Mustafa ist ein erfundenes Beispiel, aber Kinder mit seinem Schicksal gibt es viele. Ein Rucksack-Programm will Familien mit Migrantenhintergrund helfen, die Sprachbarrieren abzubauen. Der Erfolg des Programms hat sich schon bis Japan herumgesprochen.
Die Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA) mit Hauptsitz in Essen hat sich das Rucksack-Programm aus den Niederlanden abgeguckt und vor vier Jahren in NRW gestartet. „Den Rucksack tragen Eltern, Kinder und Erzieher gemeinsam“, sagt Monika Springer-Geldmacher vom RAA. Das Programm gibt Müttern Anregungen, wie sie ihre Kinder fördern können. Der Schwerpunkt liegt bei der Sprachkompetenz. „Die Mütter können sich aussuchen, ob sie mit den Kindern in Deutsch oder in ihrer Erstsprache reden“, erklärt Springer-Geldmacher. In wöchentlichen Treffen im Kindergarten werden die Mütter mit Lernmaterialien versorgt. Jede Woche steht das Rucksack-Programm unter einem anderen Thema, mit dem dann auch im Kindergarten gearbeitet wird. Über diese Parallelität sollen die Kinder gleichzeitig Erst- und Zweitsprache erlernen.
Das Programm findet viel Anklang. Mittlerweile gibt es in ganz NRW 136 Rucksack-Gruppen, davon allein 30 in Essen. Auch an einigen Schulen ist das Programm angelaufen. Das Schulministerium lobt die Arbeit der RAA: „Wir stehen dem Rucksack-Programm positiv gegenüber“, so Pressereferentin Ina Schmidt. Über eine finanzielle Förderung werde man entscheiden, wenn ein Antrag vorliegt.
Springer-Geldmacher freut sich über den Erfolg des Programms und erklärt: „Im Gegensatz zu anderen Sprachförderungsprogrammen haben wir zwei Risikofaktoren ausgeschaltet.“ Zum einen werde den Einrichtungen die Qualifizierung des Personals angeboten. Außerdem seien die Mütter der Kinder höchst motiviert. „Wir nehmen die Frauen ernst und sprechen ihnen nicht die Kompetenz ab“, so Springer-Geldmacher. In ganz NRW nehmen derzeit 1.224 Mütter am Rucksack-Programm teil.
Mitfinanziert wird das Programm durch die Städte und das Land NRW, das die RAA fördert. Auch in anderen Bundesländern gibt es Interesse am Rucksack-Programm. In Baden-Württemberg und Hessen laufen bereits mehrere Programme. Auch zwei Uni-Professorinnen aus Japan haben sich eine Rucksack-Gruppe in Essen angesehen. Springer-Geldmacher ist zufrieden mit dem Erfolg des Programms. „Um die Nachhaltigkeit beweisen zu können, müsste eine Langzeitstudie durchgeführt werden“, wünscht sie sich. Da dafür aber das Geld fehlt und auch das Land dafür keine finanzielle Unterstützung zusagt, kann die Studie nicht durchgeführt werden. Ellen Regliz