: Einer für alle, alle für einen
Weder Checker noch Popstar: Als Redakteur, Labelbetreiber und Produzent prägt Thaddi Herrmann seit Nachwendezeiten die elektronische Musikszene Berlins. Morgen feiert sein Label „City Centre Offices“ den fünften Geburtstag mit einer Party im HAU
VON CHRISTOPH BRAUN
Er ist oben auf dem Kopf ein bisschen wuschelig, darunter aber gut aufgeräumt. Es gibt genug zu tun, deshalb empfängt er seine Gesprächsgäste einfach im Büro. Hier am Rosenthaler Platz sitzt die Redaktion von De:Bug, der Zeitung für elektronische Lebensaspekte. Hier arbeitet Thaddeus Herrmann als Redakteur für Musik und Kultur, von hier aus organisiert er auch sein Musiklabel City Centre Offices.
Wie alle im Büro ist er an diesem Tag ausschließlich in Blau gekleidet, wie fast alle hier trägt er eine Brille. Seit Mauerfall-Zeiten gestaltet der 31-Jährige die elektronische Musik der Stadt mit. Als Teil des Sphärenelektronik-Duos Herrmann & Kleine ist er durch Europa getourt, diesen Mai folgen ein paar Termine in Japan. Dennoch ist er weder Checker noch Popstar, erzählt er seine Geschichten auf eine fast bescheidene Art, mit ruhiger Stimme, der dennoch Entschlossenheit anzumerken ist. Es ist leicht auszumalen, wie sie sich über die Jahre geformt hat: In vielen Jahren, in deren Verlauf Thaddeus Herrmann immer mehr das tun konnte, was er gerne tut.
Bis er diese Kreise als derart selbstverständliche Lebensumgebung betrachtete, dass er seine Plattenfirma als „Familie“ bezeichnet. Das wirkt bei ihm nicht einfach so dahingesagt. Dieser freundliche Mann ist Redakteur, Musikproduzent, DJ und macht ein Label. Und auch im Gespräch mit ihm finden sich keinerlei Hinweise auf ein Privatleben außerhalb dieses Kosmos.
„Über einen Freund habe ich Alec Empire kennen gelernt und bin dann auf meine ersten Bass-Terror-Partys gegangen“, erzählt Herrmann über die für ihn so wichtige Zeit kurz nach dem Mauerfall. Denn Alec Empire gehörte zu den frühen Fürsten des Berliner Techno. „Turbine“ und „Suicide“ hießen die Clubs jener Jahre, die Empire mit seinen Bass-Terror-Partys bespielte. Für Herrmann eine Initiationserfahrung: „Diese ganzen englischen Breakbeatsachen, die da gespielt wurden, die waren für mich die erste Revolution. Deshalb habe ich auch selbst angefangen zu produzieren“, erinnert er sich. Seine ersten Platten veröffentlichte Herrmann schließlich als Teil des Projekts Sonic Subjunkies, mit viel sagenden Titeln wie etwa „Molotov Lounge“. Gleichzeitig arbeitete „Thaddi“, wie er sich selbst lieber nennt, bereits seit Anfang der 90er-Jahre als Journalist, verdiente sein Geld als Autor und Ü-Wagen-Reporter für das SFB-Radio 3. „Das hatte allerdings nie etwas mit Musik zu tun“, begründet Herrmann die Entscheidung, ab 1995 eine Drum-’n’-Bass-Sendung auf Kiss FM zu moderieren und für De:Bug zu arbeiten.
Mit der elektronischen Musik als Beruf und Passion war es damit allerdings noch nicht getan. Das Platten-Label „City Centre Offices“ betreibt Thaddeus Herrmann seit inzwischen fünf Jahren gemeinsam mit seinem Freund Shlom Sviri. Es war im Herbst 1998, da spielten die Sonic Subjunkies in Manchester zur Eröffnung von Sviris Plattenladen. Hinterher stellte man bei einigen Bieren schnell eine gemeinsame Leidenschaft für erstens kleine Vinylsingles und zweitens elektronische Popmusik fest. Im Februar 1999 erschien die erste Single, mittlerweile kümmert sich das Label um Alben und Maxis von „zehn bis zwölf“ Solokünstlern und Projekten.
„Es muss einen begeistern“, erläutert die Berliner Hälfte von City Centre Offices (CCO) die Motivation, einen neuen Künstler zu veröffentlichen. Diese Begeisterung bringt Herrmann immer wieder als persönliche Leitkultur ins Spiel, ohne sie wäre das auch gar nicht machbar, so zu leben wie er. Denn durch keinen seiner Posten kann er reich werden. Verfahren muss Herrmann nach der alten Mitte-Devise: „Mit allem ein bisschen Geld verdienen“. Und doch gibt es natürlich musikalische Vorstellungen, die von den verschiedenen Acts auf CCO geteilt werden: ein gewisses Schwelgen in Melancholie.
Sowohl das Abendrot aus Gitarren eines Xela als auch die exakte Elektronik eines Donato Wharton künden milde von Zeiten, die individuell als verunsichernd erlebt werden. Eine Unsicherheit, die nicht zuletzt von Herrmann selbst in romantische Schönheit umgewandelt wird. Mit Christian Kleine zusammen entwirft er als Herrmann & Kleine schüchtern verträumten Elektronik-Pop. „Bergsee“ nannten sie mal eine Synthie-Fläche, die ihnen besonders gelungen war.
In Bezug auf das Geschäft, das so ein Label notwendigerweise auch ist, wird dagegen nicht gerade nach Empfindsamkeit verlangt. „In den letzten zwei Jahren ist das sehr viel härter geworden“, berichtet Thaddeus Herrmann direkt aus der Krise des Musikgeschäfts.
„Als wir anfingen, mussten wir uns keine großen Gedanken machen. Doch mittlerweile bestellen Ketten wie Saturn oder WOM eine bestimmte Anzahl Platten, und wenn die sich nicht verkaufen, dann werden die über den Vertrieb an uns retourniert. Da kriegst du auf einmal ein ganzes Paket angekrabbelter Platten zurück, an denen doch dein Herzblut hängt!“
Vergleichsweise geht es dem Label allerdings ganz gut. Es wachse „langsam, aber stetig.“ Schließlich muss auch Zeit da sein, sich richtig um die Leute zu kümmern, und das geht weit hinaus über eine Geschäftsbeziehung. „Bei uns muss klar sein, dass ich einen Künstler einfach anrufen kann, um ein bisschen zu plaudern. Das Label begreife ich immer als Familie.“
City Centre Offices Labelparty: morgen, ab 20.00, HAU 2, Hallesches Ufer 2, Kreuzberg