piwik no script img

Archiv-Artikel

Ein Gruselkabinett für den Kongo

Die Kriegsfraktionen der Demokratischen Republik Kongo haben beschlossen, welche vier Vizepräsidenten zusammen mit Präsident Kabila regieren sollen: ein Banyamulenge-Tutsi, zwei gesuchte Kriegsverbrecher und ein Zivilist ohne Rückhalt

von DOMINIC JOHNSON

Der Krieg geht zu Ende, und alle Seiten haben gewonnen. Die neue Regierung der Demokratischen Republik Kongo, in der alle Bürgerkriegsfraktionen und politischen Kräfte des zerrissenen Landes gemeinsam sitzen, vereint die Haupttäter eines Krieges, dessen Folgen nach unabhängigen Schätzungen seit 1998 3,3 Millionen Menschenleben gefordert haben. Seit der Nominierung eines Vizepräsidentschaftskandidaten durch Kongos größte Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) am Dienstagabend ist die Liste der zukünftigen Herrscher des Kongo komplett.

Der nun designierte RCD-Generalsekretär Azarias Ruberwa ist einer der vier Vizepräsidenten, die laut den geltenden Kongo-Friedensabkommen gemeinsam mit Staatschef Joseph Kabila regieren sollen. Der 38-jährige Jurist aus der Minderheit der Banyamulenge-Tutsi gilt als integer – anders als einige RCD-Kollegen, die sich mit weniger sichtbaren Ämtern begnügen müssen. Ruberwas Nominierung ist zugleich eine Abfuhr für die RCD-Schutzmacht Ruanda, die zuletzt den unbeliebten Gouverneur der Provinz Nordkivu, Eugène Serufuli, in den Vizepräsidentenposten hieven wollte.

Der umstrittenste der neuen Vizepräsidenten ist Abdoulaye Yerodia Ndombasi, nominiert von der bisherigen Regierung Kabila. Er dürfte mit Ruberwa als Amtskollegen Probleme haben, denn zu Beginn des Krieges 1998 rief er zur Tötung der kongolesischen Tutsi auf und musste später seinen Außenministerposten aufgeben, als Opferverbände ihn in Belgien anklagten.

Dass Yerodia jetzt aus der politischen Versenkung auftaucht, ist ein Beweis dafür, wie stark im Umfeld Kabilas inzwischen die Hardliner sind. Sie haben sich in der Bewegung „M-17“ zusammengeschlossen, zum Gedenken an die Machtergreifung Laurent-Désiré Kabilas am 17. Mai 1997, und wollen eine führende Rolle in den neuen Institutionen spielen, um jeden Verlust der „revolutionären Errungenschaften“ Kabilas – zum Beispiel durch Gerichtsverfahren wegen Ausplünderung – abzuwenden.

Neben Ruberwa und Yerodia sind die anderen beiden Vizepräsidenten eher langweilig, aber nicht weniger umstritten. Gegen Jean-Pierre Bemba, Führer der Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung), sind mehrere Klagen vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen seiner Kämpfer in der Zentralafrikanischen Republik sowie im Nordosten des Kongo anhängig.

Arthur Z’ahidi Ngoma schließlich, Kandidat der „politischen Opposition“ – der existierenden politischen Parteien des Kongo – hat eine chamäleonhafte Karriere hinter sich, mit der er sich wenig Freunde gemacht hat. Unter Mobutu war er Dissident, 1998 war er kurz Chef der RCD, die er später als „Mafia“ bezeichnete und verließ. Eine politische Basis hat er nicht – und, anders als seine drei Kollegen, auch keine militärische. Kongos größte Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) erkennt Z’ahidi nicht an und droht mit Massenprotesten, falls ihr eigener Chef Etienne Tshisekedi nicht ebenfalls nominiert wird.

So sind noch einige Wochen Geschacher zu erwarten, bevor das vollständige Kabinett feststeht. Es soll am 23. Mai vereidigt werden und fünf Tage später seine Arbeit aufnehmen. Einige Namen sind bereits bekannt – so wird Jean-Pierre Ondekane, der hintereinander Mobutu, Laurent Kabila und der RCD als General diente, Verteidigungsminister und erntet damit den Titel des erfolgreichsten Überlebenskünstlers der kongolesischen Politik. Die Regierung wird von einer 3.000 Mann starken internationalen Truppe bewacht, während ihre Bestandteile zunächst ihre eigenen Armeen und Territorien behalten.

Das geltende Kongo-Friedensabkommen gibt dieser Übergangsregierung zwei Jahre, um Wahlen zu organisieren und den Kongo zu einem geeinten, normalen Land zu machen. Nur wenige Kongolesen erwarten, dass dies funktioniert. Sie erwarten paralysierende Machtkämpfe, eventuell mit kriegerischen Begleiterscheinungen. Typisch die Reaktion eines exilierten Intellektuellen: „Es würde mich wundern, wenn diese Leute sechs Monate an der Macht bleiben. Sie verarschen doch das Volk. Das wird wie unter Mobutu.“