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Archiv-Artikel

berliner szenen Normal Neukölln

3.000 Bezirkstrottel

„Der weiß ja selber genau, wie blöd er da steht.“

Feindselig murmelt es hinter mir, und zwar exakt so laut, dass ich es hören muss, und gerade so leise, dass ich nicht direkt angesprochen werde. Ich rücke mein Fahrrad so beiseite, dass die Frau ungehindert zur „Brutzelbaude“ vordringen kann, Columbiadamm Ecke Fontanestraße.

„Wo ist das Amtsgericht Kreuzberg-Tempelhof in der Möckernstraße?“, schreit sie, die Antwort im Grunde vorwegnehmend, die Imbissfrau an. Sie verliert keine Zeit mit ohnehin verlogenen Floskeln und wedelt mit einem leeren Briefumschlag.

„Ich weiß es nicht“, sagt die Imbissfrau.

„Sie wissen es nicht?“, herrscht die Dame, „das gibt’s doch nicht! Sind die denn alle blöd hier?“ Sie blickt mich giftig an. Ob sie ahnt, dass ich weiß, wo sich das Gericht befindet?

„Versuchen Sie’s doch mal mit Freundlichkeit“, schlage ich vor.

„Freundlichkeit?“, zischt sie, „ich bin immer zu allen gut gewesen. Allen habe ich geholfen. Beklaut und beschissen haben sie mich. Sie sagen mir jetzt, wo das ist!“

„Klar“, spotte ich, „auf dem Schild steht ja auch ‚Infobaude‘.“

Ich zeige nach oben, wo „Brutzelbaude“ steht. Sie tritt zurück, um den Wahrheitsgehalt meiner Aussage zu überprüfen, kommt zu keinem eindeutigen Resultat und entfernt sich, Verwünschungen murmelnd.

„Jeden Tag vier oder fünf solche Leute“, klagt die Imbissfrau, „nicht nur einer.“

„Das ist nicht viel“, tröste ich sie. In jedem Dorf mit 100 Seelen gibt es einen Dorftrottel, somit müsste es in Neukölln über 3.000 Bezirkstrottel geben. Und nur vier kommen am Tag hier vorbei. Das sind wirklich nicht viele.“ ULI HANNEMANN