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Archiv-Artikel

Der Wiedergänger aus Kärnten

Haider zieht seine Show mit so viel Professionalität wie Unverfrorenheit ab Kanzler Schüssel sieht Haider lieber in Kärnten verwahrt als in Wien herumirrlichtern

AUS KLAGENFURT RALF LEONHARD

Die Klagenfurter Altstadt lockt in diesen Tagen nicht nur mit barocker Pracht und dem berühmten Lindwurmbrunnen aus dem 17. Jahrhundert. Passanten können sich die klammen Finger an Früchtetee oder heißem Punsch wärmen, die an strategisch postierten Ständen gratis ausgeschenkt werden. Zum – selbstverständliche roten – Früchtetee wird das Regierungsprogramm der SPÖ gereicht. „Wir alle sind Kärnten“, heißt die aufrüttelnde Botschaft des Herausforderers Peter Ambrozy. Wenige Schritte entfernt bekommt man am blauen Kiosk des Amtsinhabers neben Broschüren fingerdicke Kugelschreiber und blaue Feuerzeuge aufgedrängt. Jörg Haider im Rennanzug markiert Leadership. Seine Message suggeriert Dynamik und Erfolg: „Pole-Position für Kärnten. Unser Landeshauptmann. Jörg Haider. Wir vertrauen ihm.“ Jeden Hinweis auf die Parteizugehörigkeit des flotten Burschen sucht man vergebens. Die FPÖ, die österreichweit zwischen sieben und acht Prozent dümpelt, ist für die Ambitionen des Wahlkämpfers ein Klotz am Bein. So würden die Freiheitlichen bei den Landtagswahlen am kommenden Sonntag mit Sicherheit keinen Stich machen, wenn Jörg Haider seine Personality-Show nicht mit so viel Professionalität wie Unverfrorenheit inszeniert hätte.

Tatsächlich halten Freund und Feind es für möglich, dass Jörg Haider die Freiheitlichen trotz ihres Niedergangs in allen anderen Bundesländern neuerlich zur stärksten Kraft in Kärnten macht. Kärnten versinkt in einer Flut von großflächigen Plakaten des Landesvaters, der keine Veranstaltung auslässt und keine Hand ungeschüttelt lässt. Sein Ideenreichtum ist in der österreichischen Politik unübertroffen. Er versteht es, gleichzeitig Landesvater und Oppositionsführer zu spielen. Als sich herausstellte, dass die von ihm mit verhandelte Gebührenerhöhung bei der Mehrzahl der Rentner trotz Pensionserhöhung zu einem Nettoverlust führte, rief er die Betroffenen ins Landhaus und zahlte ihnen eigenhändig die Differenz aus. Tagelang. Und auch dann noch, als Bundeskanzler Schüssel dem Druck nachgegeben und diese Kürzung zähneknirschend korrigiert hatte. Für die nächste Amtsperiode verspricht Haider 800 Euro Gebärprämie pro Kind. Während des Wahlkampfs gab es immer wieder Freifahrt auf den Schiliften, am Tourismustag von Velden wurden 1.000 Tickets für Flüge nach Hamburg oder Berlin verschenkt, und in vier Städten ließ Haider bei seinem Auftritt je einen Fiat Panda verlosen.

Obwohl von den werbewirksamen Veranstaltungen viele zu Lasten des Landesbudgets gehen, ist die FPÖ-Wahlkampkasse gähnend leer. Wie kürzlich bekannt wurde, musste Haider einen Kredit bei der Hypo Alpe Adria Bank aufnehmen, der die FPÖ bis 2014 mit jährlich 360.000 Euro an Rückzahlungen belastet. Pikantes Detail: Die Hypo Alpe Adria gehört zu 52 Prozent dem Land Kärnten. Haider hat seine Partei vermutlich bis weit über sein politisches Dasein verschuldet. Zur Sicherheit beantragte die FPÖ vor kurzem eine Erhöhung der öffentlichen Parteienförderung.

Doch an einem Finanzskandal, wie ihn die FPÖ früher genüsslich bei anderen Parteien angeprangert hätte, wird Haider nicht scheitern. Obwohl er immerhin zehn gute Gründet plakatiert, warum er wiedergewählt werden sollte, kann Haider auf eine höchst bescheidene Bilanz verweisen. Kärnten bleibt Schlusslicht, was die Kaufkraft betrifft, die positive Arbeitsmarktbilanz ist durchsichtig geschönt. So fallen etwa Arbeitslose, die Kindergeld beziehen, aus der Statistik. Und der High-Tech-Boom, der Kärnten angeblich zu den innovativsten Regionen Europas macht, ist in erster Linie auf die bevorstehende EU-Erweiterung zurückzuführen. Die Wahlversprechen von 1999, niedrigere Mieten und geringere Strompreise, wurden gebrochen.

Wie sehr dem ewigen Provokateur seine Aussagen zur Weltpolitik geschadet haben, ist schwer zu beurteilen. Als er George W. Bush und Saddam Hussein nach der Ergreifung des Letzteren moralisch auf eine Stufe stellte, gab sich die Kärntner ÖVP empört. Spitzenkandidatin Elisabeth Scheucher und Landesparteichef Georg Wurmitzer erklärten, sie würden Haider auf keinen Fall zum Landeshauptmann wählen. Die Wahl findet im Landtag statt, wo keine der Parteien die notwendige absolute Mehrheit haben wird. Diese Festlegung sei ein taktischer Fehler, mahnte Wolfgang Schüssel aus Wien, der Haider lieber in Kärnten verwahrt als in Wien herumirrlichtern wissen will. Sollte er seinen Job in Klagenfurt verlieren, würde sich der begnadete Populist eine neue Aufgabe suchen: Fraktionschef im Parlament wäre eine wahrscheinliche Variante. Für neue Unruhe in der Koalition wäre gesorgt. So ist davon auszugehen, dass Haider dank ÖVP auch dann Landeshauptmann bleibt, wenn er sein Wahlziel verfehlt und nur Zweiter wird.

Die inszenierte Aufregung um Haider, von dessen Erfolg das weitere Schicksal der nachhaltig geschwächten FPÖ abhängt, täuscht darüber hinweg, dass die politisch viel bedeutendere Wahl gleichzeitig im benachbarten Bundesland Salzburg geschlagen wird. Dort deutet alles darauf hin, dass die ÖVP, erstmals den Posten des Landeshauptmanns abgeben muss. Franz Schausberger, ein biederer Religionsprofessor, weht nicht nur der scharfe Wind der unpopulären Regierungsarbeit aus Wien entgegen. Er hat in der Sozialdemokratin Gabi Burgstaller auch eine Rivalin, die über jene Ausstrahlung verfügt, die ihm abgeht. In einer verzweifelten Flucht nach vorne stellte er Anfang des Jahres bereits seinen eigenen Nachfolger vor: den Anwalt Wilfried Haslauer, Sohn des gleichnamigen Exlandeshauptmanns und politisch unerfahren. Diese als Geste der Resignation gedeutete Selbstentmachtung hat den regierenden Landeschef weitere Punkte gekostet. Auch Gabi Burgstaller hütet sich im konservativen Salzburg vor Aussagen, die auf radikalen Wandel oder unsichere Experimente deuten könnten. Einen Pakt mit den Grünen, die voraussichtlich beiden Großparteien zur Mehrheit verhelfen könnten, schloss sie übertrieben kategorisch aus: „Ich bin doch nicht verrückt.“

Die SPÖ will in beiden Ländern gewinnen. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hat vergeblich versucht, in Kärnten alle Parteien darauf einzuschwören, den Chef der stärksten Partei zum Landeshauptmann zu wählen. Gerade hier gibt es zahlreiche Präzedenzfälle von Koalitionen gegen die stärkste Partei. Das weiß niemand besser als SPÖ-Spitzenkandidat Peter Ambrozy, der 1989 durch einen Pakt von ÖVP und FPÖ aus dem Amt geputscht und durch Jörg Haider ersetzt wurde.

Den Grünen hat bisher eine in Österreich einmalige Zehnprozenthürde den Einzug in den Landtag verwehrt. Bei einigem Glück können sie es diesmal über ein Direktmandat im Wahlkreis Klagenfurt schaffen. Sie fordern „Saubere Hände für Kärnten“ und offerieren „Grüne Kontrolle statt blauschwarzroter Packelei“ und sehen als Einzige die Mehrsprachigkeit der slowenischen Minderheit als Chance für die Zukunft. Das ist allerdings eine Botschaft, die im stramm nationalen Kärnten, das sich seit dem Abwehrkampf gegen Jugoslawien im Jahr 1920 als Bollwerk gegen den Balkan sieht, mehr Misstrauen als Zustimmung provoziert.