robin alexander über Schicksal : Der Beruf der Hundephysiotherapeutin
Ethisch korrekt oder dekadent? Jassir Arafat jedenfalls schweigt zum Einsatz von Tieren bei Anschlägen
An dieser Stelle wurde unlängst der seltene Beruf der Hundephysiotherapeutin vorgestellt. Daraufhin sind unerwartet zahlreiche Leserbriefe eingegangen, die sich grob in drei Kategorien einteilen lassen:
a) „Hundephysiotherapeutin? Das ist ausgedacht. Das gibt es doch gar nicht.“
b) „Ich kenne auch eine.“
c) „Pfui, ist eine Gesellschaft dekadent, die Hundephysiotherapeutinnen hervorbringt!“
Die Zuschriften der Kategorien a) und b) sind einfach zu beantworten. Selbstverständlich gibt es diesen ordentlichen deutschen Beruf mit eigener Ausbildungsordnung und zweifellos mit Zukunft. In größeren Städten konkurrieren schon heute mehrere „Vierbeiner Reha Zentren“, unter denen die Besitzer eines verletzten Hundes wählen können. Wer der Schulmedizin skeptisch gegenübersteht, kann mit seinem Haustier Hundeheilpraktikerinnen und Hundehomöopathen aufsuchen. Selbst „Bachblütentherapie für Vögel“ wird angeboten. Allein eine Rückenschule für Fische konnte ich nicht finden. Eine Marktlücke wahrscheinlich.
Das bringt uns zu den Leserfragen der Kategorien c): Ist eine Gesellschaft dekadent, die solche Berufe hervorbringt? Geht es Leuten, die ihren Hund zum Therapeuten bringen, zu gut? Ist der Beruf der Hundephysiotherapeutin e.c. – ethically correct?
Leider sind die für solche Fragen zuständigen Institutionen – der Ethikrat des Bundestages, die evangelische Kirche, das Feuilleton der Zeit – gerade so sehr mit adulten Stammzellen, semiadulten Amokläufern und kindischen US-Präsidenten beschäftigt, dass wir uns selbst ein paar Gedanken zur Ethik der Hundephysiotherapie machen müssen.
Historisch ist Tierliebe ein junges Phänomen. Früher konnten sich nur exponierte Menschen erlauben, Tiere wie Familienmitglieder zu behandeln. Ein bekanntes Beispiel ist der römische Kaiser Caligula, der seinen Hengst „Incitatas“ Hafer aus einem goldenen Trog essen ließ und das Pferd zum Konsul ernannte. Adolf Hitler aß während seiner zwölfjährigen Reichskanzlerschaft nichts, was ein Gesicht hat, und liebte seine Schäferhunde. Die Hundephysiotherapeutin des Führers hat Guido Knopp allerdings noch nicht ausfindig gemacht.
Erst in der Wohlstandsgesellschaft ist die Tierliebe vom Caesaren- zum Massenwahn gesunken. Binsenweisheit: Das Leid der Kreatur erkennt der Mensch erst ab einem gewissen Sattheitsgrad. Noch harmlos sind dabei die so genannten Veganer, Pubertierende aus allen Altersklassen, die sich linksradikal geben, von Leinsamen und Dörrobst ernähren und am Wochenende am Kanal Angler per Zwille mit M & Ms beschießen. Auch einen christlichen Vegetarismus gibt es. Hier soll durch die Schonung des Schlachtviehs nicht die Revolution, sondern das Himmelreich näher kommen. Die Bibel ist in Sachen Tier widersprüchlich. Als Minimalkonsens jeder ernst zu nehmenden Exegese sollte jedoch festgehalten werden: Christus ritt auf einem Esel. Nicht der Esel auf ihm.
Fragen wir Fachleute: Spezialisten in Sachen Tiere und Ethik sind – wie der Name schon sagt – die Leute von der Organisation „People for the Ethical Treatment of Animals“, kurz Peta. Die Aktivisten von Peta haben schon viele für die Gesellschaft nützliche Dinge vollbracht, zum Beispiel Supermodels ausgezogen. Ob Claudia, Naomi oder Cindy – alle haben sie für Peta die Hüllen fallen lassen, um gegen das Tragen von aus dem Fell von bedrohten Tierarten gewonnener Kleidung zu protestieren.
Skeptisch gegenüber der ethischen Kompetenz von Peta stimmt ein Anfang dieses Jahres veröffentlichter Brief ihrer Präsidentin Ingrid Newkirk an Jassir Arafat. Mit Entsetzen, so die Präsidentin, habe Peta davon erfahren, dass bei einem Selbstmordanschlag in Bethlehem ein unschuldiger Esel den Sprengstoff bis zur Detonation auf seinem Rücken transportiert habe. Bei diesem Anschlag, der einem Linienbus galt, kamen nur durch einen glücklichen Zufall keine Menschen zu Schaden. Die Tierschützer empörte, dass die Bombenleger nicht nur israelischen Frauen, Männern und Kindern den Tod zugedacht hatten, sondern auch dem putzigen Graurock. Ob Arafat nicht in Zukunft dafür sorgen könne, so Peta wörtlich, „Tiere aus diesem Konflikt herauszuhalten“?
Arafat hat nicht geantwortet, nach dem Glauben der fanatisierten Attentäter sei der Esel jetzt ein Märtyrer. Weiterhin hat Arafat nicht geantwortet, dem Esel gehe es jetzt gut, er sei im Paradies von 72 mandeläugigen, wohlgeformten Jungfrauen umgeben, die alle keinen Pelz tragen. Arafat hat aber auch Peta nicht gefragt, ob seine Autonomiebehörde die Ansiedlung von Hundephysiotherapeuten in einem eigenständigen Palästinenserstaat befürworten solle. Er hatte wohl andere Sorgen.
Fragen zu Schicksal?kolumne@taz.de