Libyen übergibt Massenvernichtungswaffen

Die Regierung in Tripolis will morgen das Zusatzprotokoll des Atomwaffensperrvertrages unterzeichnen

MADRID taz ■ Die Entspannung mit Libyen kommt voran. Das nordafrikanische Land wird nach Auskunft der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien am Mittwoch das Zusatzprotokoll des Atomwaffensperrvertrages unterzeichnen. Revolutionsführer und Staatschef Muammar al-Gaddafi hatte kurz vor Weihnachten überraschend den Verzicht auf alle Massenvernichtungswaffen angekündigt. Die IAEA hat seither Zutritt zu allen Einrichtungen mit militärischer atomarer Ausrüstung und hat diese nach und nach beseitigt. Die Untersuchungen zeigten, dass das arabische Land wesentlich näher an der Produktion waffenfähigen Urans war als angenommen. „Libyen hat über einen langen Zeitraum hinweg gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen“, erklärte gestern der IAEA-Generalsekretär Mohammed al-Baradei.

Bereits am Wochenende war ein Schiff mit 500 Tonnen Material aus dem libyschen Nuklearprogramm in die USA ausgelaufen. An Bord befinden sich unter anderem Zentrifugen zur Urananreicherung sowie Trägerraketen. Im Januar waren bereits 25 Tonnen Material per Flugzeug in die USA transportiert worden.

Auch in anderen Bereichen wurde Tripolis aktiv. So hat die libysche Regierung am vergangenen Freitag der in Den Haag ansässigen Organisation für Verbot von Chemiewaffen (OPCW) seine Bestände sowie die Produktionsanlagen gemeldet. Die übergebenen Akten füllten vierzehn Kartons. Gaddafi besitzt demnach unter anderem 23 Tonnen Senfgas. Außerdem verfügt Libyen über eine Anlage zur Produktion des hochgiftigen Sarins. Insgesamt hat die libysche Volksarmee unter internationaler Aufsicht 3.300 Bomben zerstört, die mit chemischen Kampfstoffen bestückt werden sollten. Laut Aussagen des Generaldirektors der OPCW, Rogelio Pfirter, hat Libyen weder chemische Waffen eingesetzt noch an andere Länder weitergegeben.

Die Schritte Gaddafis machen sich bezahlt. So will die EU künftig eine verstärkte Kooperation mit Tripolis. Bereits in den nächsten Wochen soll eine europäische Delegation in das nordafrikanische Ölland reisen, „um die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit im Energie-, Telekommunikations- sowie Informationsbereich“ vorantreiben. Am Wochenende reiste gar der französische Handelsminister nach Tripolis.

Auch eine US-Delegation von Kongress-Abgeordneten besuchte den Wüstenstaat am Mittelmeer. „Die US-Firmen haben Verhandlungen mit Libyen aufgenommen, um wieder in diesem Land aktiv zu werden“, erklärte der republikanische Delegationssprecher Curt Weldon auf der Jahresversammlung des libyschen Parlaments. Staatschef Muammar al-Gaddafi bedankte sich in seiner Rede bei den USA und rief sein Volk zur „Zusammenarbeit mit Amerika“ auf: „Die USA war nie unser Feind“, erklärte er. REINER WANDLER