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Archiv-Artikel

Rauchen fürs Sterbegeld

Tabaksteuer wird um 1 Euro pro Schachtel Zigaretten erhöht. Mit den Mehreinnahmen sollen die Krankenkassenbeiträge gesenkt werden. Opposition erwartet jetzt auch höhere Mehrwertsteuer

Von RAB

BERLIN dpa/afp/ap/taz ■ Deutschlands Raucher müssen für ihre Sucht künftig tiefer in die Tasche greifen. Eine Koalitionsrunde von SPD und Grünen beschloss gestern, die Tabaksteuer um 1 Euro pro Schachtel zu erhöhen. Zigaretten werden damit um ein Drittel teurer.

Mit den zusätzlichen Einnahmen sollen so genannte versicherungsfremde Leistungen bezahlt werden, für die bislang die Krankenkassen aufkommen mussten. Wie viel aus der Steuer zusammenkommt und wie viel zur Finanzierung welcher Leistungen nötig ist, müssen die Koalitionäre noch durchrechnen. Dabei wollen sie auch prüfen, ob das Sterbegeld künftig aus der Tabaksteuer beglichen oder aber ganz gestrichen wird.

Mit der Steuererhöhung will die Regierung die Krankenkassenbeiträge, die derzeit bei durchschnittlich 14,5 Prozent des Einkommens liegen, auf weniger als 13 Prozent senken. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz gab aber zu, dass die höhere Steuer zu einem Rückgang des Zigarettenkonsums und damit auch zu geringeren Einnahmen führen könnte. Dieser Effekt sei gesundheitspolitisch durchaus gewollt.

Eine größere Nikotinabstinenz erwarten auch die deutschen Zigarettenhersteller. Schon ein Aufschlag um die zunächst erwarteten 60 Cent hätte nach den Berechnungen der Industrie zu einem Absatzrückgang um 13 Prozent geführt. „Ein derartiger Rückbruch hätte deutliche Auswirkungen auf die gesamte Branche, angefangen von den Tabakbauern über die Zulieferer und die Zigarettenhersteller bis hin zu den Vertreibern“, heißt es. Hinter vorgehaltener Hand wird auch eine Zunahme des Zigarettenschmuggels erwartet.

Mit der Steuererhöhung hat sich Gesundheitsministerin Ulla Schmidt innerhalb der SPD gegen Finanzminister Hans Eichel durchgesetzt. Eichel hatte Steuererhöhungen in der Vergangenheit stets abgelehnt. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos forderte den Minister deshalb zum Rücktritt auf. „Jetzt hat Eichel die Chance zu zeigen, dass er nicht an seinem Sessel klebt.“ Verhindern kann die Union die Erhöhung der Tabaksteuer allerdings nicht. Da die Einnahmen allein der Bund kassiert, muss der Bundesrat nicht zustimmen.

Die Opposition rechnet fest damit, dass jetzt auch die Mehrwertsteuer erhöht wird. „Die Tabaksteuer war nur der Anfang“, hieß es bei der FDP. Tatsächlich wird in der SPD verstärkt über die Anhebung der Mehrwertsteuer diskutiert – als „flankierende Maßnahme zur Agenda 2010“. Die Grünen lehnen das strikt ab. „Das belastet die Konjunktur und führt zu mehr Schwarzarbeit“, sagte Haushaltsexpertin Antje Hermenau. Auch SPD-Generalsekretär Scholz versicherte gestern, weitere Steuererhöhungen stünden nicht an.

RAB

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