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Archiv-Artikel

Rau gedenkt 10. Mais

Als „Exodus des freien Geistes“ – und bis heute spürbar – bezeichnete er die Folgen der Nazi-Hetze

Bundespräsident Johannes Rau hat sich erschrocken über die zunehmende Verfolgung von Schriftstellern nach dem 11. September 2001 geäußert. Gestern gedachte Rau bei einer Gedenkveranstaltung unter dem Motto „Literatur auf dem Scheiterhaufen, der Geist im Feuer“ des 70. Jahrestages der Bücherverbrennung der Nationalsozialisten am 10. Mai 1933. Bei der Bücherverbrennung der Nazis wurden allein in Berlin mehr als 20.000 Bücher ein Opfer der Flammen.

Rau sagte, eine Lehre aus der Geschichte und dem brutalen Vorgehen der Nationalsozialisten gegen den freien Geist sei, dass Meinungsfreiheit zu den wichtigsten demokratischen Errungenschaften gehört und dass niemand wegen seiner Anschauungen verfolgt werden dürfe. Auch heute gebe es vereinzelt immer noch Fälle von Bücherverbrennungen. Weltweit würden nach den Feststellungen des PEN-Zentrums immer noch viele Schriftsteller und Journalisten aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt. Allein im vergangenen Jahr seien weltweit 1.153 Fälle bekannt geworden, in denen Schriftsteller „verschwunden“ oder getötet, verhaftet, unter Hausarrest gestellt, ins Exil gezwungen oder auf andere Weise bedroht worden seien.

Die Bücherverbrennungen, die 1933 in vielen deutschen Städten stattfanden, sowie der nachfolgende „Exodus des freien Geistes“ seien für die deutsche Gesellschaft eine Katastrophe gewesen, „die Jahrzehnte nachgewirkt hat und die in manchem bis heute spürbar ist“. Als schwer nachvollziehbar bezeichnete es Rau, dass die Vernichtung von Kunstwerken und das Verbrennen von Büchern so viele Menschen in Deutschland gleichgültig gelassen habe. Viele gebildete Menschen hätten damals ihrer „eigenen Entmündigung“ nicht nur zugestimmt, sondern sie auch noch öffentlich inszeniert.

Die Veranstaltung wurde unter anderem vom PEN-Zentrum Deutschland und dem Verband deutscher Schriftsteller (VS) getragen. Mehrere Schriftsteller wie Christa Wolf und Rolf Hochhuth lasen aus seinerzeit verbrannten Büchern. DPA