: Keine Meinung geht nicht
Extrem mutig, neu, anders – und noch längst nicht in Topform: Steffen Hallaschkas Polittalk im „Kanzlerbungalow“ hat viel Potenzial, lieferte zur Premiere aber auch nur altbekannte Schlagworte
von JENNI ZYLKA
Dies könnte, mit wohlwollender Fantasie, zwischen den Zeilen des „Kanzlerbungalow“-Konzepts stehen: eine Sendung, die anders, wilder, satirischer und trotzdem ernster mit dem tagespolitischen Geschehen umgeht als alle „ZAK“s, „extra drei“s und Politkabaretts zusammengenommen. Und das alles auch noch aus dem echten Bungalow, dem Kanzlerwohnheim in Bonn, in dem sie alle (Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder) mal saßen und entschieden. Doch noch gelingt das nicht so ganz.
Um die Jugend (laut Chefmoderator Steffen Hallaschka durchaus nicht die alleinige Zielgruppe) bei der Stange zu halten, hat man dem Gastgeber, der seine zwei Meter Lebendgröße live durch das pittoresk-provinzielle Flachdachgebäude schiebt, ein paar AußenreporterInnen zur Seite gestellt. Drei pro Sendung, die auf kleinen, wackelnden Fernsehern in die Diskussion eingeschaltet werden und so zu einem aktuellen Polittalk der anderen Art beitragen sollen.
Zwischendurch, damit das ganze „keine reine Quatschrunde, kein Laberstammtisch“ (Hallaschka) wird, laufen satirische Beiträgchen, und es gibt natürlich auch ein Leitmotiv für jede Sendung. Bei der Premiere am Donnerstag hieß das „Brauchen wir Rebellen?“ und hatte mit dem Dirty Dozen in der SPD, den AbweichlerInnen vom Kanzler-Reformkurs, zu tun.
Ganz schön viel Stoff für 45 Minuten. Vielleicht zu viel, um übers Drapieren hinauszukommen: Zwar ist durchaus der Effekt eingetreten, den Hallaschka im Interview vorher mit „Es geht alles, nur keine Meinung haben geht nicht“ umschrieb: Man solle sich nämlich durchaus über die Meinungen der anderen aufregen, ehrlich sein, eben wirklich diskutieren, nicht nur die „Schlips und Kragen“-PolitikerInnen aus den ersten Reihen der normalen TV-Polittalkshows abfrühstücken.
Aber wenn Außenreporter Michael Wigge übers klassenclownige Faseln nicht hinauskommt, Reporterin Charlie Maihoff bei ihrem Müntefering-Besuch immer wieder das Menschliche am Soldaten aufdecken will und die Antworten auf die Frage, ob die AbweichlerInnen nun Rebellen sind oder nicht, stets so klingen wie das, was man hört, wenn man sich besoffen in einer lauten Partyecke über irgendein Thema echauffiert – dann ist das noch nicht das Optimum. Dann müsste man sich ja über alles aufregen, und das will man doch nicht. Beziehungsweise, dazu würde auch „Big Brother“ reichen.
Obwohl dieser Vergleich wiederum doch ein wenig hinkt. Denn der „Kanzlerbungalow“ könnte sich noch entwickeln, wenn die eigentlich extrem mutige und tatsächlich neu angelegte Sendung sich mehr auf den Inhalt und weniger auf die ungewöhnliche Form kaprizieren würde. Gerne sähe man im Fernsehen mal etwas, das sich wirklich kritisch und erklärend mit so trockenen wie wichtigen Themen wie der berühmten Agenda 2010 auseinander setzt. Am Donnerstag kamen aber dazu auch aus dem Bungalow nur Schlagworte. Die gleichen, die sonntags auch bei Sabine C. aus den Politikermündchen dampfen.
(„Kanzlerbungalow“, jeweils donnerstags, 23.00 Uhr, WDR)