: Frühstart in den Karriereknick
Christian Baretti zog ein paar Strippen zu viel. Jetzt hat die CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat ihn ausgeschlossen
Vor knapp zwei Jahren war für Christian Baretti sogar das Kanzleramt in Sichtweite. Seinerzeit gehörte der heute 30-jährige Münchner zum Team der Redenschreiber des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Außerdem galt Baretti als junger Stadtrat und führender Kopf der Jungen Union in München weit über die Stadtgrenzen hinaus als eines der hoffnungsvollsten politischen Talente der CSU. Diese Zeit scheint schon sehr weit zurückzuliegen. Am Montagnachmittag schloss die CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat Baretti aus ihren Reihen aus. Ein Parteiausschlussverfahren scheint nur noch eine Frage der Zeit. Im April steht Baretti wegen Urkundenfälschung vor Gericht. Wenn keine wundersame Wendung eintritt, endet Christian Barettis Karriere, bevor sie richtig begonnen hat.
Im November 2002 waren an Baretti adressierte E-Mails in der Presse aufgetaucht. Der Inhalt der Schreiben belegte zusammen mit anderen Dokumenten und Zeugenaussagen, dass in Teilen der Münchner CSU systematisch Mitglieder gekauft, Mitgliedsanträge gefälscht und Abstimmungen manipuliert worden waren. Offenbar hatte das politische Nachwuchstalent gemeinsam mit anderen jungen CSUlern versucht, durch das Einschleusen falscher Neumitglieder Wahlen in Ortsvereinen und Kreisverbänden so zu drehen, dass politische Konkurrenten nach und nach ausgeschaltet werden. Bis hin zur Aufstellung von Landtagskandidaten sollten die Mitglieder der eigenen Clique ganz oben auf der Karriereleiter positioniert werden. Dafür sprechen zumindest die Beweise – und sie wirken erdrückend, auch wenn Baretti bis heute seine Unschuld beteuert.
Deshalb könnte er nächste Woche schon wieder im Stadtparlament sitzen: Baretti will als fraktionsloser Abgeordneter weitermachen. Zudem versucht er, gegen seinen Ausschluss aus der Stadtratsfraktion zu klagen. Möglicherweise kann er nun selbst nicht mehr begreifen, was Außenstehende schon lange in fassungsloses Staunen versetzt: Dass dieser junge, immer etwas zu glatt und angepasst wirkende Typ des perfekten Nachwuchspolitikers (zumindest in der CSU-Version), dessen Weg steil nach oben zeigte, das Risiko des Totalabsturzes in Kauf nahm, um noch ein bisschen schneller voranzukommen. Der konservative Münchner Merkur urteilte entgeistert: „Baretti hätte es gar nicht mehr nötig gehabt, sich aus der Trickkiste zu bedienen. Er hatte in allen wesentlichen Gremien bereits eine glänzende Ausgangsposition.“ Doch das war nicht genug. Und so steht Christian Baretti, 30, mit seinem manchmal fast noch kindlich wirkenden Grinsen unter dem Bürstenhaarschnitt nun als Prototyp des vom Ehrgeiz zerfressenen Strippenziehers da – ganz so, wie man sich parteipolitische Streber im schlimmsten Klischee ausmalen würde. Immerhin, sein Talent, Reden zu schreiben, könnte Baretti noch nützen. Wenn er sich vor Gericht verteidigen muss. JÖRG SCHALLENBERG