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Archiv-Artikel

Alle Wege führen nach Rom

Der Club of Rome startet ein internationales Schulprojekt. Auch in Nordrhein-Westfalen wollen sich Schulen beteiligen. Das Schulministerium begrüßt die Initiative der internationalen Denkfabrik, mahnt aber zur Einhaltung der Landesrichtlinien

VON SALVIO INCORVAIA

Nordrhein-Westfalen bekommt eine neue Schulform: Acht Schulen zwischen Rhein und Weser wollen im kommenden Schuljahr zum ‚Club of Rome‘ gehören und bewerben sich für das Bildungsprojekt der Denkfabrik:

„Das Interesse vieler Grund-, Haupt-, Real-, Gesamtschulen und Gymnasien im Land ist sehr groß, doch wir wollen das Projekt erstmal mit acht Schulen beginnen“, sagt Erika Risse. Die Schulleiterin des Oberhausener Elsa-Brändström-Gymnasiums ist Koordinatorin des Projektes im bevölkerungsreichsten Bundesland und schwärmt: Möglicherweise werde das Projekt der Beginn einer neuen Schulform im Land und Bund sein. Die Anfragen interessierter Schulen häuften sich jedenfalls.

Der ‚Club of Rome‘ setzt auf mehr organisatorische und pädagogische Eigenständigkeit an den Schulen, ein Zertifikat soll dies fördern. Wesentlicher Bestandteil des Konzepts ist eine eigenverantwortete Personalführung der Schulen. Das gilt besonders für die Auswahl der Lehrer. Die Verteilung der Unterrichtsinhalte und die Zusammenstellung der Fächer sollen größtenteils autonom geregelt werden. Daneben sind neue und flexiblere Unterrichtsformen vorgesehen. Fächer wie Politik, Geschichte und Erdkunde sollen kombiniert werden.

Im Mittelpunkt des pädagogischen Konzeptes soll die individuelle Begabung der einzelnen Schüler stehen. Individuell ausgerichtete Förder- und Anreizprogramme sollen unterschiedliche Interessen und Fähigkeiten fördern. In den Klassen sollen Jungen und Mädchen mit unterschiedlichem kulturellen und sozialen Hintergrund unterrichtet werden. Das Leistungsniveau einer Klasse muss dabei nicht einheitlich sein.

„Es gibt keine wirklich modernen Schulen im Land. Deshalb wollen wir geeignete Bildungsinstitutionen auf diesen Weg bringen“, sagt Axel Beyer von der Sektion Deutschland des ‚Club of Rome‘ im Hinblick auf die bundesdeutsche Bildungslandschaft. Gerade jetzt gelte es, sehr viel aufzuholen. Doch gehe es nicht um die Schaffung einer neuartigen Einheitsschule. Jede ‚Club of Rome‘-Schule werde einen eigenen Weg innerhalb des Projekts einschlagen.

Für das Etikett Club-of-Rome müssen die Schulen Gegenleistungen erbringen: So verpflichten sie sich über die Einhaltung der Ziele öffentlich Rechenschaft abzulegen. Am Ende soll dann ein Schulprogramm aufgestellt werden, das sich zu den ‚Club of Rome‘-Grundsätzen wie Nachhaltigkeit, soziale Solidarität und Zivilcourage verpflichtet. Das Modell soll das Vorbild für neuzuschaffende Schulsysteme im In- und Ausland werden. Um die begehrte Lizenz zu bekommen, müssen alle interessierte Schulen fünf Jahre lang in eine enge Kooperation mit dem ‚Club of Rome‘ treten. Der selbst gewählte Weg in der schulischen Ausbildung hat dabei stets die ‚Club of Rome‘-Grundsätze einzuhalten.

Der Zeitplan für die neue Schulform läuft: In den kommenden Wochen werden die sich bewerbenden Schulen über nähere Regelungen informiert. In den nächsten Monaten soll eine Expertenrunde Details des Konzepts erörtern. Am Ende wird ein Abkommen zwischen den Schulen, den Ländern und dem Club of Rome unterschrieben. Angestrebt wird ein Netzwerk von unterschiedlichsten Schulformen, die in mehreren Bundesländern nach den selben Prinzipien arbeiten.

Bisher sieht die rot-grüne Landesregierung die alternativen Bestrebungen zur Schaffung einer neuen Schulform gelassen: Das NRW-Bildungsministerium begrüßt die private Initiative zur Modernisierung der Schulen. Aber Pressereferentin Nina Schmidt mahnt auch: „Im Prinzip beobachten wir die Entwicklung sehr wohlwollend, doch Inhalte und Form dieser Schulen müssen sich mit den Bildungsvorgaben des Landes decken.“ In bestimmten Fällen könne das Ministerium aber auch Ausnahmeregelungen für einzelne Projektschulen erlassen.

Die Ausnahmeregelungen könnten sich bald häufen: Die Aufnahme weiterer Schulen in das ‚Club of Rome‘-Netzwerk ist schon geplant: Mit Beginn des nächsten Schuljahres können zwar bundesweit nur bis zu 30 Schulen mitmachen. Doch sollen jedes Jahr neue Schulen hinzu kommen. Nach Angaben des Club of Rome haben sich bislang rund 60 Schulen aus elf Bundesländern beworben.

Bereits am 29. März wollen sich in Nordrhein-Westfalen die Vertreter des ‚Club of Rome‘, des Landesbildungsministeriums sowie die acht Projektschulen in Oberhausen treffen, um landesweit erste Vorbereitungen zur Umwandlung der ausgewählten Schulen zu treffen.

Die Koordinatorin für NRW, Erika Risse, ist zuversichtlich: „Es müssen zwar noch viele Dinge geklärt werden, aber das Projekt ist jetzt angelaufen.“ Die Schulleiterin ist überzeugt: Das Projekt werde die Schulen verändern und neue, grundsätzliche Fragen aufwerfen – „Brauchen wir noch Klassenverbände? Muss das Lernen an der Schule wirklich nach Jahrgängen gestaffelt sein?“